Kaliningrad jetzt im Inselbetrieb: Baltische Staaten wechselten das Stromnetz

Estland, Lettland und Litauen sind jetzt mit dem europäischen Verbundnetz synchronisiert. Russlands Exklave Kaliningrad ist jetzt auch abgekoppelt.

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Umspannwerk

Ein Umspannwerk

(Bild: heise online / anw)

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Litauen, Lettland und Estland haben am Sonntagnachmittag erfolgreich ihre Stromnetze mit Westeuropa synchronisiert. Litauens Präsident Gitanas Nausėda sprach im Beisein von Journalisten von einem historischen Moment, berichtet der litauische Fernsehsender LRT. Zuvor war am Samstagvormittag die Verbindung zum russischen Stromnetz gekappt worden. Mit der Trennung nach 65 Jahren wollen sich die baltischen Staaten unabhängiger von Russland machen. Einen Tag lang liefen die Stromnetze im Inselbetrieb.

Die Verbindung zum Europäischen Verbundsystem (EV) erfolgt über die Freileitung LitPol Link zwischen Litauen und Polen, die bereits im Jahr 2015 in Betrieb genommen wurde. Diese wurde seinerzeit nach der Stilllegung eines Kernkraftwerks in Litauen errichtet, um das Land unabhängig von russischen Stromimporten zu machen.

Mit der Umstellung werden Litauen, Lettland und Estland die Frequenz ihrer Stromnetze unabhängig, aber in Abstimmung mit dem Verbund, steuern. Bislang wurde die Stromfrequenz zentral in Moskau reguliert. Trotz der Synchronisierung mit Festland-Europa sollen die baltischen Staaten künftig auch in der Lage sein, längere Zeit im Inselbetrieb zu verbleiben.

Litauens Präsident warnte anlässlich der Synchronisierung mit Festland-Europa vor Anschlägen auf die kritische Infrastruktur. Die baltischen Staaten beklagen eine Zunahme von Schäden an Seekabeln in der Ostsee, die sie mit anderen Anrainerstaaten verbinden. Angesichts der Häufung – mindestens elf Kabel seien seit Oktober 2023 beschädigt worden – wird in den betroffenen Ländern vermutet, dass Russland mit einer Schattenflotte aus zivilen Schiffen involviert sein könnte.

Auf litauischer Seite seien für die Synchronisierung der Stromnetze neue Stromleitungen auf einer Länge von 420 Kilometern errichtet worden. Bestehende Leitungen auf einer Länge von 230 Kilometern wurden umgebaut und 13 neue Umspannwerke sowie Transformatorenstationen aufgestellt. Insgesamt sind nach Angaben aus Litauen 1,6 Milliarden Euro in das Synchronisierungsprojekt geflossen, wobei rund 1,2 Milliarden Euro von der EU bereitgestellt worden seien.

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Die alten Leitungen nach Russland sollen direkt in dieser Woche gekappt und abgebaut werden, teilten die drei baltischen Staaten mit.

Mit der Änderung wurde auch die russische Exklave Kaliningrad vom russischen Stromnetz getrennt. Diese wird laut dem litauischen Netzbetreiber Litgrid jetzt im Inselmodus betrieben. Russland habe seine Exklave bereits seit dem Jahr 2019 mit verschiedenen Tests auf die neue Situation vorbereitet, heißt es. Ein Inselbetrieb gilt als anspruchsvoll, da Schwankungen bei Stromversorgung und Nachfrage nicht durch den Verbund ausgeglichen werden können. In Kaliningrad sollen jedoch mehrere Kraftwerke bereitstehen.

(mki)