Kampf gegen Hass: Bundesregierung stimmt für Pflicht zur Passwortherausgabe

Trotz massiver Kritik hat das Bundeskabinett den umstrittenen Gesetzentwurf zur erweiterten Bestandsdatenauskunft und Meldepflicht ans BKA auf den Weg gebracht.

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Passwortherausgabe etc.: Kabinett beschließt schärfere Regeln gegen Hass im Netz

(Bild: sebastianosecondi / Shutterstock.com)

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In Deutschland soll es künftig eine klare Auflage für Anbieter von Telemediendiensten wie WhatsApp, Gmail, Facebook, Tinder & Co. geben, sensible Daten von Verdächtigen wie Passwörter und IP-Adressen an Sicherheitsbehörden herauszugeben. Dazu kommt eine Pflicht zunächst für Betreiber großer Plattformen zum Teilen nutzergenerierter Inhalte wie Facebook, TikTok, Twitter oder YouTube, strafrechtlich relevante Inhalte wie Hassbeiträge oder Terrorismuspropaganda zu löschen und parallel unaufgefordert – ebenfalls zusammen mit aussagekräftigen Internetkennungen inklusive Portnummern – an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden.

Die Bundesregierung hat dazu am Mittwoch ihren Entwurf für ein Gesetz "zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" auf den Weg gebracht. Die vom Bundeskabinett befürwortete Version geht prinzipiell ähnlich weit wie der heftig umstrittene Referentenentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). So sollen die begehrten Bestandsdaten generell neben Strafverfolgern und sämtlichen Geheimdienste auch Ämter in die Hände bekommen, die etwa Ordnungswidrigkeiten oder Schwarzarbeit ahnden. Es bleibt auch bei einem Auskunftsanspruch, "soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist", also zum Verfolgen von Urheberrechtsverletzungen.

Zu den abfragbaren Daten gehören laut dem Papier ausdrücklich neben Name und Anschrift auch Kennungen, mit denen der Zugriff auf Nutzerkonten, Endgeräte und auf davon räumlich getrennte Speichereinrichtungen etwa in der Cloud geschützt wird. Die Regierung stellt nun aber klar, dass Telemedienanbieter im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und IT-Sicherheitsbestimmungen Passwörter verschlüsselt speichern müssen. Ermittler können also nur darauf hoffen, dass Dienstleister diese Vorschriften nicht befolgen oder dass sie die vorhandenen Hashwerte selbst mit hohem technischen Aufwand entschlüsseln können.

Auskunft über Passwörter sollen im Gegensatz zum Referentenentwurf aus dem Justizressort zudem nur noch Behörden erhalten, die "besonders schwere Straftaten" verfolgen oder für die "Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuständig" sind.

Die einschlägigen neuen Paragrafen 15a und b Telemediengesetz (TMG) knüpft an die bereits bestehende Pflicht zur Bestandsdatenauskunft für Telekommunikationsanbieter an, von der die berechtigten Stellen seit Jahren intensiv und nicht immer rechtskonform Gebrauch machen. Im jetzt anvisierten Bereich sind die Folgen mit Zugriffsmöglichkeiten auf umfassende Kommunikationsinhalte von Nutzern und die damit verknüpften Grundrechtseingriffe aber viel größer.

Auch der Kreis der Verpflichteten erweitert sich deutlich: unter den Begriff Telemedien fallen etwa soziale Medien und Blogs, Chatdienste, Spiele-Apps, Informationsservices und Suchmaschinen, Portale, Shops und private Seiten im Web, Webmail-Dienste, Podcasts und Flirt-Communities. Eine Richtergenehmigung ist zwar für die Abfrage von Passwörtern erforderlich, nicht jedoch für die von IP-Adressen und zugehörigen Nutzernamen. Oft winken Gerichte Ersuchen der Staatsanwaltschaften aber schon aus Zeitgründen oder Ressourcenmangel einfach durch. Den laufenden "Erfüllungsaufwand" für die Wirtschaft beziffert die Regierung mit rund 2,1 Millionen Euro jährlich.

Dazu kommt eine Klausel, wonach schon das "Billigen" oder Androhen von Straftaten etwa in sozialen Netzwerken wieder kriminalisiert werden soll, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte voriges Jahr angeführt, ein entsprechender Vorschlag sei 1989 noch abgelehnt worden, da die 1981 aufgehobene einstige Bestimmung kaum zu Verurteilungen geführt habe.

Künftig sollen ferner auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert, die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, strafbar sein. Der Strafrahmen soll bei Drohungen im Netz bei bis zu zwei Jahren, bei einer öffentlich erfolgenden Drohung mit einem Verbrechen bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe liegen. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, dem sollen bis zu zwei Jahre Haft drohen. Den Katalog der rechtswidrigen Inhalte im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will das Kabinett um das "Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" ergänzen.

Gegen die ursprüngliche Initiative des Justizressorts, die nun in leicht überarbeiteter Form an den Bundesrat und den Bundestag geht, liefen Datenschützer, Bürgerrechtler und Vertreter der Internetwirtschaft Sturm. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sprach von "gravierenden Eingriffen in die Grundrechte" und großen Zweifeln, ob das Vorhaben mit der Verfassung vereinbar sei und die damit verknüpft Ziele überhaupt erreicht werden könnten. Verbände beklagten den geplanten "großen Lauschangriff im Netz".

Vielfach auf Kritik stieß auch die vorgesehene Pflicht für Betreiber sozialer Netzwerke, eventuell strafbare Inhalte inklusive Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und Bedrohungen mitsamt IP-Adresse und Portnummer dem BKA zu übermitteln. Es werde sich nicht vermeiden lassen, dass auch Inhalte und Daten völlig harmloser Nutzer darunter seien, gab der IT-Verband Bitkom zu bedenken. Netzpolitisch aktive Vereine warnten, dass eine umfassende "Verdachtsdatenbank" in Form eines polizeilichen Zentralregisters beim BKA entstehe, die einen rechtsstaatlichen Dammbruch darstelle. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) drängt trotzdem bereits darauf, die Meldeauflage über das NetzDG hinaus auch auf kleinere Plattformen auszudehnen.

Lambrecht begründete das vom Kabinett befürwortete Gesetzespaket gegen Hass damit, dass "Extremisten sich nicht aus dem Nichts radikalisieren". Menschenverachtende Volksverhetzungen und Bedrohungen im Netz ließen Hemmschwellen sinken. "Der Hass trifft unsere Demokratie mitten ins Herz", betonte die Sozialdemokratin. Wer online hetze und drohe, werde "künftig härter und effektiver verfolgt". Dank der neuen Meldepflicht landeten "Hass-Straftaten endlich da, wo sie hingehören: vor Gericht". Der jüngste Schlag gegen eine mutmaßliche rechtsextremistische Terrorzelle zeige erneut, "wie Extremisten sich zusammenschließen und bewaffnen, um Menschen in unserem Land und unsere Demokratie zu attackieren". (mho)