Kanadische Städte legen Lieferroboter still

Rosa Büchsen rollten auf Gehsteigen in Toronto, dann in Ottawa. Die Provinz möchte ein Gesetz dafür schreiben, die Städte stoppen die Wägelchen.

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Gänsemarch der Geoffreys der Firma Tiny Mile am Gestade des Lake Ontario

Der Innenraum Geoffreys misst 36 x 32 x 30 cm und darf mit maximal fünf Kilogramm beladen werden. Es verfügt über GPS, Kameras und 5G-Mobilfunk. Die Piloten sitzen zuhause.

(Bild: Tiny Mile)

Lesezeit: 3 Min.
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Kleine rosafarbene Kisten auf Rädern wollte das kanadische Unternehmen Tiny Mile als günstigere Alternative zu klassischen Lieferdiensten etablieren. Weil Selbstfahrtechnik noch nicht so weit ist, wurden die mit 4-6 Kilometern pro Stunde rollenden Maschinchen von Menschen ferngesteuert. Zunächst auf Gehsteigen und Radwegen in Toronto, dann in Ottawa. Im Dezember hat Toronto den Betrieb untersagt, weil die gemächlichen Büchsen eine Gefahr für Blinde und Sehschwache seien.

Am Mittwoch hat auch Kanadas Hauptstadt Ottawa beschlossen, die "Geoffrey" getauften Fahrzeuge zu stoppen. Sie seien sowieso weder auf Gehsteigen noch Radwegen, noch Straßen zulässig. Mitarbeiter der Stadt sollen nun jene Geschäfte, die Waren per Tiny Mile zu Kunden bringen lassen, über das Fahrverbot aufklären.

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Tiny-Mile-Chef Ignacio Tartavull stellt in Abrede, dass seine ausdrücklich geschlechtsneutralen Fahrzeuge eine Gefahr darstellen. Er verweist in Interviews darauf, alleine in Toronto 50.000 Lieferungen mit 100.000 Kilometern Gesamtfahrtleistung unfallfrei durchgeführt zu haben.

Tartavull, einst Hotelmanager in Argentinien, hatte bei der damaligen Uber-Sparte ATG (Advanced Technologies Group) an der Entwicklung selbstfahrender Automobile gearbeitet. Der Todesfall mit einem autonomen Uber-Auto im März 2018 desillusionierte den Mann. Ubers Computer konnte Fußgänger, die regelwidrig die Straße überqueren, einfach nicht erkennen, und überfuhr eine Frau, die ein Fahrrad über die hell beleuchtete Fahrbahn geschoben hatte.

Der Ingenieur kam zu dem Schluss, dass es noch lange dauern würde, bis selbstfahrende Autos sicher seien. Er verließ Uber ATG und gründete Ende 2019 gemeinsam mit einem Ex-Kollegen Tiny Mile. Statt schneller, autonomer Autos entwickelten die beiden langsame, ferngesteuerte Lieferkästen auf vier Rädern mit 5G-Anbindung. Der Ex-Kollege ging bald nach Europa, doch Tartavull brachte die Wägelchen auf Torontos Trottoirs.

Im Stadtkern lieferten sie insbesondere Mahlzeiten dreier Restaurants aus – zu einem Bruchteil der Kosten, die UberEats und andere Lieferdienste verrechnen. Doch Vertreter von Menschen mit Behinderungen schlugen Alarm: Die kniehohen Fahrzeuge seien für Blinde und Sehschwache nicht zu erkennen und daher eine Gefahr. Das fand Widerhall im Rathaus der größten Stadt Kanadas.

Toronto ist Kandas größte Stadt und Hauptstadt der Provinz Ontario

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Gleichzeitig fand Tiny Mile Gehör bei der Provinzregierung Ontarios. Sie kündigte einen Pilotversuch für solche Lieferfahrzeuge an – gleich für zehn Jahre. Details sind noch offen, doch Kommunen, die nicht vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Verbot beschließen, müssen die Fahrzeuge dann für mindestens zehn Jahre dulden.

Dieser Druck beschleunigte die Sache in Toronto: Mitte Dezember wurden die offiziell Micro-Utility Devices (MUD) genannten Wägelchen verboten – egal, ob sie ferngesteuert oder autonom herumfahren oder herumstehen. Das Verbot gilt, bis Toronto die Details der Provinzvorschriften kennt, und entschieden hat, ob sich die Stadt beteiligen möchte.

Tartavull hatte zuvor angekündigt, seine Firma schließen zu müssen, sollte Toronto den Betrieb untersagen. Er könne unmöglich in einer anderen Stadt von vorne anfangen. Probiert hat er es dann doch, und zwar in Ottawa. Doch jetzt ist auch dort Schluss.

Selbstredend war Tiny Mile schwer defizitär. Zunächst kosteten die Lieferfahrten pauschal sechs Dollar (etwa 4,20 Euro), zuletzt einen Dollar pro Kilometer (70 Eurocent). Für jeden Kilometer brauchte Geoffrey eine Viertelstunde. Den Piloten zahlte Tiny Mile nach eigenen Angaben allerdings 25 Dollar pro Stunde.

(ds)