Kartellamt will zu viel Kabelnetz-Macht übers Fernsehen stoppen [Update]

Das Kartellamt will eine unkontrollierbare Marktmacht im TV-Kabelnetz mit gravierenden Auswirkungen für Programmanbieter und Kunden verhindern; Kabel Deutschland hat bis zum 8. 9. Zeit, die Bedenken der Wettbewerbshüter zu zerstreuen.

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  • dpa

Das Bundeskartellamt will eine unkontrollierbare Marktmacht im TV-Kabelnetz mit gravierenden Auswirkungen für Programmanbieter und Fernsehkunden verhindern. Dieser negative Wettbewerbseffekt mit einer zu großen Abhängigkeit von TV-Sendern von einem Kabel-Monopolisten sei aber bei der geplanten Fusion zu erwarten, sagte der Präsident des Kartellamts, Ulf Böge, am Dienstag in Bonn. Daher müsse Deutschlands größtem Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland (KDG) die Übernahme der drei kleineren Unternehmen Ish aus Nordrhein-Westfalen, Kabel Baden-Württemberg (KBW) sowie Iesy aus Hessen in der beabsichtigten Form untersagt werden.

Mit dem Zusammenschluss würde KDG seine "heute schon marktbeherrschende Stellung" auf dem Einspeisemarkt für Fernsehprogramme und den damit in Verbindung stehenden technischen Dienstleistungen weiter verstärken, sagte Böge. Kabel Deutschland versorgt bereits in 13 Bundesländern 9,7 Millionen Haushalte. Nach einer Übernahme wären etwa 17 Millionen Haushalte direkt oder indirekt an das Kabelnetz angeschlossen. Nach der Abmahnung durch das Kartellamt hat KDG nun bis 8. September die Möglichkeit, die Einwände der Wettbewerbshüter zu zerstreuen oder durch Zugeständnisse noch eine andere Entscheidung zu erreichen. Böge ließ offen, wie ein solches Entgegenkommen konkret aussehen müsste, um das Kartellamt noch umzustimmen. Das Amt muss seine endgültige Entscheidung bis zum 7. Oktober treffen. Das Geschäft hat ein Volumen von insgesamt 2,7 Milliarden Euro.

Laut Böge beabsichtigt KDG, für das Bezahlfernsehen (Pay-TV) eine zusätzliche eigene Verschlüsselung vorzunehmen. Auch für das übrige TV-Angebot (Free-TV) sei eine Grundverschlüsselung beabsichtigt. Dann würde der Endkunde von Programmen der öffentlich-rechtlichen wie auch der durch Werbung finanzierten Privatsender für die Freischaltung einen Decoder benötigen, der aber auch von KDG kontrolliert würde. Die Programmanbieter würden dazu gezwungen, diese Leistungen der KDG in Anspruch zu nehmen. Auch die gesamte Digitalisierung würde in den Händen des Kabelnetzbetreibers liegen.

Außerdem wolle KDG selbst im Pay-TV-Markt tätig werden, sagte Böge. Ein Ausbau des Bezahlfernsehens sei aber nur möglich, wenn das Free-TV zurückgedrängt werden könne. Die Programmanbieter seien in diesem Machtspiel weitgehend auf den Kabelnetzbetreiber angewiesen, da sie nicht einfach auf einen anderen Übertragungsweg wie Satelliten-TV wechseln könnten. Über das Breitbandkabelnetz würden etwa 56 Prozent, über Satellit etwa 39 Prozent aller TV-Haushalte versorgt. "Die möglichst vollständige Erreichbarkeit aller Zuschauer lässt einen Verzicht auf einen der Übertragungswege nicht zu."

Mit der Fusion wäre laut Böge auch die Chance vertan, die marktbeherrschende Stellung der Telekom beim schnellen Internet-Zugang (DSL-Anschlüsse) und in der Telefonie aufzubrechen. Hier sei "kein aktiver Wettbewerbsvorstoß" der KDG zu erwarten. Das Kartellamt habe auf diesem Feld gegen die Telekom ein Verfahren wegen möglicher Wettbewerbsabsprachen eingeleitet, bestätigte Böge. Es gebe den Verdacht, dass Netzbetreiber wie KDG bei DSL-Anschlüssen nicht in Wettbewerb zum Marktführer Telekom treten dürften. Die Vereinbarungen sollen Teil der Veräußerung des TV-Kabelnetzes der Telekom an Finanzinvestoren gewesen sein. Die Telekom wies die Vorwürfe zurück.

[Update]:
Auch der KDG-Sprecher erklärte, diese Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar. Im Zuge der geplanten Übernahme solle im übrigen eine technische Plattform geschaffen werden, die die Wettbewerbsbedingungen zwischen Fernsehanbietern verbessern würde. "Die Bedingungen sind fair und offen, jeder ist eingeladen, seinen Content zu bringen", betonte der Sprecher. Einige Kritikpunkte der Kartellwächter seien aus Unternehmenssicht sachlich nicht richtig.

KDG will zudem mit Zugeständnissen ein Verbot seiner Übernahmepläne durch die Kartellwächter abwenden. Der Firmensprecher kündigte am Dienstag verstärkte Investitionen in den Netzausbau bei Highspeed-Internet an. Dadurch soll das Netz für Telefonie und Internet tauglich werden. "Wir werden uns deutlich aktiver in dem Markt bewegen und sind dabei, ein Paket zu schnüren", sagte der Sprecher, ohne konkrete Details zu nennen. (dpa) / (jk)