Astronomie-Infrastruktur produziert so viel CO₂ wie 250.000 Pkw

Für die astronomische Forschung werden jährlich über eine Million Tonnen CO₂ freigesetzt. Kurzfristig würde es nur helfen, weniger Instrumente zu planen.

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Das Very Large Telescope in Aktion

(Bild: ESO/S. Brunier)

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Die weltweit und im All betriebene Infrastruktur für die astronomische Forschung hat einen CO₂-Fußabdruck von 20 Megatonnen CO₂-Äquivalent beziehungsweise jedes Jahr fast 1,2 Millionen Tonnen. Auf jeden einzelnen Astronomen beziehungsweise jede Astronomin entfallen demnach im Rahmen ihrer Arbeit rund 36 Tonnen CO₂ pro Jahr. Das hat eine Gruppe von Forschern und Forscherinnen des französischen Astrophysik- und Planetologie-Instituts IRAP ermittelt.

Der größte Teil des Fußabdrucks entfällt demnach auf die Infrastruktur, wobei die höchsten Werte für die Weltraumteleskope Hubble und Chandra, sowie die Saturnsonde Cassini ermittelt worden. Bei den Anlagen auf der Erde liegen die europäischen Einrichtungen VLT und ALMA an der Spitze, vor dem fliegenden deutsch-amerikanischen Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie SOFIA.

Als CO₂-Fußabdruck wird hier der Gesamtbetrag an Kohlenstoffdioxid-Emissionen bezeichnet, der direkt beziehungsweise indirekt bei der Herstellung beziehungsweise dem Betrieb einer Anlage verursacht wird. Es ist ein Maß dafür, inwieweit der Forschungsbereich Astronomie einen Anteil an den CO₂-Emissionen und damit am menschengemachten Klimawandel hat. Angesichts der immer dringlicheren Warnungen vor dessen Folgen müsse sich auch die Astrophysik-Gemeinde mit ihrem Anteil auseinandersetzen, begründet die Gruppe um Jürgen Knödlseder ihre Arbeit. Ermittelt hätten sie, dass der CO₂-Fußabdruck der Infrastruktur für die Astronomie in den nächsten zehn Jahren um das Zwanzigfache reduziert werden müsste. Einige Vorschläge dazu haben sie zusammengetragen.

Ihre Studie mache deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit astronomischer Forschung nicht ignoriert werden könne. Der für ein Jahr ermittelte Wert von fast 1,2 Megatonnen CO₂-Äquivalent entspricht dem, was beim Verbrennen von über 6000 Zugwaggons an Kohle freigesetzt wird oder von über 250.000 Pkw in einem Jahr. Der Gesamtfußabdruck entspricht dem CO₂, das fünf Kohlekraftwerke im Verlauf eines Jahres freisetzen. Allein etwa drei bis fünf Prozent davon entfallen ihren Zahlen zufolge auf das seit über 30 Jahren aktive Weltraumteleskop Hubble, etwa halb so viel auf das Röntgenteleskop Chandra. Die Werte für bodengestützte Observatorien wie Anlagen der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile sind jeweils geringer, summieren sich aber trotzdem. Allen gemein ist, dass der Fußabdruck kleiner wird, je länger ein Instrument im Einsatz ist, wenn man das ins Verhältnis zur Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten setzt, die auf den Daten basieren.

In der nun im Fachmagazin Nature veröffentlichten Analyse fordern die Autoren und Autorinnen, dass jetzt in einem ersten Schritt alle existierenden und geplanten Einrichtungen umfassend auf ihren CO₂-Fußabdruck hin untersucht werden sollten. Allein das derzeit noch nicht arbeitende Weltraumteleskop James Webb sowie der geplante Radioteleskopverbund Square Kilometre Array würden in den zusammengestellten Listen jeweils ganz vorne landen. Folgen sollten dann Maßnahmenpakete, um den CO₂-Fußabdruck zu verringern. Es sei aber fraglich, ob die nötige Verringerung schnell genug erreicht werden könnte, gestehen sie ein. Als einzige zielführende Maßnahme haben sie ausgemacht, die Geschwindigkeit zu verringern, mit der neue Anlagen geplant und gebaut werden. Vorschläge dafür seien unter dem Stichwort "Slow Science" bereits entwickelt worden. Die Umsetzung könnte unter anderem dazu führen, dass gesammelte Daten umfänglicher ausgewertet werden. Auch könnte der Druck auf die Forscher und Forscherinnen in der Folge sinken.

Weltraumteleskop Hubble (105 Bilder)

Der Affenkopfnebel im Orion
(Bild: ESA/Hubble)

(mho)