Know-how Farben (Teil 5): Die flexible Grauachse und der Gamma-Trick

Nachdem wir aus der letzten Folge wissen, dass Schwarz und Weiß – trotz Farbprofil – etwas ziemlich Unbestimmtes sind, wollen wir uns die Graustufen dazwischen etwas genauer anschauen. Ihre harmonische Verteilung ohne sichtbare Stufen ist bei begrenzter Stufenzahl gar nicht so einfach.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ralph Altmann
Inhaltsverzeichnis

Bei einer Farbtiefe von 8 Bit pro Kanal liegen auf der Grauachse genau 256 Grautöne, man gelangt also stets mit 255 Schritten von Schwarz zu Weiß. In Folge 3 haben Sie gesehen, dass diese begrenzte Schrittzahl die Gefahr mit sich bringt, sichtbare Farbnuancen zu überspringen, was sich in Verläufen als Banding bemerkbar macht.

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Die Banding-Gefahr ist umso größer, je größer der Farbraum ist, deshalb soll man ja ProphotoRGB und den noch größeren Lab-Farbraum nur zusammen mit 16 Bit Farbtiefe verwenden. Richtig dramatisch wird es aber erst auf der Grauachse. Da Schwarz- und Weißpunkt eines Bildes erst bei der Wiedergabe vom Wiedergabemedium festgelegt werden, weiß niemand vorher, wie weit entfernt voneinander diese beiden Punkte letzten Endes sein werden. Fotopapier und gute Tintenstrahldrucke können einen Kontrastumfang von 100:1 erreichen, das heißt: Das tiefste Schwarz reflektiert etwa 1/100 des Lichts, was vom unbedruckten Papier reflektiert wird. Der Kontrastumfang hängt hier allein von den schwarzen Pigmenten ab, denn das Papierweiß ist ja vorgegeben.

Nehmen wir diese Schwarz-Helligkeit als Schrittlänge, kommen wir in 100 Helligkeits-Schritten vom Tintenschwarz zum Papierweiß – kein Problem für unsere 8-Bit-Farbtiefe mit 255 möglichen Schritten. Doch jeder Wald- und Wiesen-Monitor bietet heute einen (statischen) Kontrastumfang von 500:1 und mehr, Digitalprojektoren sogar deutlich über 1000:1.

Fotografen rechnen gern in Blendenstufen: 100:1 sind knapp 7 Blendenstufen, 1000:1 sind 10 Blendenstufen. Aber auch das Bild einer Digitalkamera will mit seinem vollen Kontrastumfang als JPG in 8 Bit Farbtiefe gespeichert werden – damit wächst unser Anspruch an den erfassbaren Kontrastumfang auf 12 bis 13 Blendenstufen, denn das ist der Stand bei modernen Digitalkameras. Das hellste Motivdetail darf dann mehr als 8000 Mal so hell wie das dunkelste, gerade noch nicht im Rauschen untergehende Detail sein.

Einen so hohen Kontrastumfang mit möglichst wenig Helligkeitsstufen abzubilden, stößt auf zwei Probleme:

  • Mit zunehmenden Kontrastumfang muss mit jedem der erlaubten 255 Schritte ein größerer Helligkeitsunterschied überwunden werden – die Banding-Gefahr in Helligkeitsverläufen steigt.
  • Ein Kontrastumfang von mehr als 8 Blendenstufen (255:1) kann mit 255 gleichen Schritten gar nicht mehr vollständig erfasst werden.

Vor allem Problem Nummer zwei sollte Sie stutzen lassen: Wieso können wir 8-Bit-JPG-Bilder, die ja nur 255 Schritte zwischen Schwarz- und Weißpunkt gestatten, überhaupt noch für die allermeisten Fotos verwenden?

Die Antwort lautet: Hier wirkt wieder ein Trick, diesmal ein uralter, der aus der Anfangszeit des Fernsehenes stammt. Er wird meist kurz mit Gamma bezeichnet. Praktisch alle 8-Bit- und die meisten 16-Bit-Bilder sind "gammaverzerrt", ihre RGB-Werte folgen der physikalischen Helligkeit nicht linear. Auch unser Sehsinn arbeitet nichtlinear und ist für große Helligkeiten weniger empfindlich als für kleine – dies unterstützt den Gamma-Trick und sorgt dafür, das dessen negative Konsequenzen unsichtbar bleiben.

Mit wachsendem Kontrastumfang rücken nicht nur Schwarz- und Weißpunkt weiter voneinander weg, auch die Unterschiede zwischen benachbarten Graustufen werden größer.

(Bild: Ralph Altmann)