Koalition will das Urheberrecht wissenschaftsfreundlicher gestalten
Abgeordnete von Schwarz-Rot gelobten bei einer Debatte im Bundestag, noch in dieser Legislaturperiode eine "Wissenschaftsschranke" im Urheberrecht verankern zu wollen. Ein Antrag der Grünen dazu sei aber unausgereift.
Alle Fraktionen waren sich bei der ersten Lesung eines einschlägigen Antrags der Grünen am Donnerstag im Bundestag einig, dass der Zugang zu Wissen durch stärkere Nutzerrechte im Urheberrecht erleichtert werden sollte. Details einer sogenannten Bildungs- und Wissenschaftsschranke sind aber noch umstritten zwischen den Lagern.
Stefan Heck räumte für die CDU/CSU-Fraktion ein, dass mehr Ausnahmen vom exklusiven Verwerterrecht im Forschungssektor eines der "großen Reformvorhaben" im Urheberrechtsbereich seien, das noch ausstehe neben der laufenden Novelle des einschlägigen Vertragsrechts. Generell sei es wichtig, der Digitalisierung im Unterricht Rechnung zu tragen. Die Initiative der Grünen helfe hier aber nicht weiter, da sie "die angemessene Vergütung" der Kreativen mit keinem Wort erwähne.
Nötig seien auch "starke Wissenschaftsverlage", um die Qualität von Publikationen zu sichern, meinte der Christdemokrat. Angemessene Lizenzangebote müssten daher weiter Vorrang haben vor pauschalen Zugriffsrechten. Hecks Fraktionskollege Tankred Schipanski bedankte sich dagegen bei den Grünen, dass sie Druck auf das federführende Bundesjustizministerium ausübten. Die Schranke sei zumindest als "Überdruckventil" angesichts "enormer Preissteigerungen bei wissenschaftlicher Literatur" dringend erforderlich.
Der SPD-Politiker Christian Flisek versprach, dass Schwarz-Rot das im Koalitionsvertrag versprochene Projekt wie die anderen darin enthaltenen Punkte zum Urheberrecht noch "handwerklich sauber abarbeiten" werde. Nötig sei es, "im kompletten Schrankenwesen im Wissenschafts- und Bildungsbereich aufzuräumen", da dieses in einen Dschungel ausgewachsen sei. Zunächst müsse aber geklärt werden angesichts höchstrichterlicher Rechtsprechung, wie Vergütungen zwischen Urhebern und Verlagen zu verteilen seien.
Die Grünen betonen: "Das Urheberrecht kann und muss zu Gunsten überwiegender Bedürfnisse der Allgemeinheit eingeschränkt werden – dies gilt insbesondere für die Freiheit der Wissenschaft und Forschung, die Bildung und die Informationsfreiheit." Bessere Forschungs- und Wissenszugänge seien "wichtige Zukunftsmotoren für unsere Volkswirtschaft und Wissensökonomie", erläuterte Kai Gehring für die Fraktion im Parlament. Der "Modernisierungsstau im Urheberrecht" gehöre endlich überwunden.
Die mittlerweile nicht mehr befristete Intranetklausel im Urheberrechtsgesetz ermögliche es zwar bereits, Auszüge aus geschützten Werken für Lehr- und Forschungszwecke zugänglich zu machen, führte Gehring aus. Diese Regel sei aber schwer verständlich und habe ihre Grenzen. Wer sich schlaumachen wolle, was er unter welchen Bedingungen darf, scheitere oft am "Dickicht von Einzelgesetzen". Es fehle also eine umfassende und klare rechtliche Vorgabe, die den Wissensfluss erleichtere.
Eine Wissenschaftsschranke würde es Dozenten, Lernenden und Forschenden erlauben, "publizistische Werke jedweder medialer Art für den nichtgewerblichen wissenschaftlichen Gebrauch generell genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen zu nutzen", warb der Grüne für das Vorhaben. In diesem Zuge könnten wissenschaftliche Bibliotheken digitale Inhalte wie E-Books ausleihen. Ergänzt werden müsse das erweiterte Nutzerrecht mit stärkeren Möglichkeiten für Open Access, um den freien Zugang zu Forschungsergebnissen im Internet zu verbessern: "Wissen wächst, wenn es geteilt wird."
Der Koalition warf Gehring vor, "die Probleme zu verschleppen", obwohl selbst Regierungsgutachter attestierten, dass dies große Rechtsunsicherheit schaffe. Seit "mindestens zwölf Jahren" werde über die geforderte Urheberrechtsschranke debattiert, hieb Petra Sitte von den Linken in die gleiche Kerbe. Im Gegenzug gebe es immer "pauschale Vergütungsregeln", korrigierte sie Heck. Der "völlig richtige" Antrag der Grünen stelle sich in eine ganze Reihe vergleichbarer Initiativen der Opposition. Schwarz-Rot stehe aber offenbar der Absurdität des Theaterstücks "Warten auf Godot" in nichts nach. (ps)