Kommentar zu 20 Jahren Amazon: Stoppt den Bulldozer

Der weltgrößte Online-Händler feiert sein Jubiläum. c't-Redakteur Christof Windeck ist aber gar nicht in Partylaune und wünscht sich lieber härtere Regeln für das Handelsmonster, das alles plattwalzt.

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Amazon Lagerhalle

(Bild: dpa, Uwe Zucchi)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christof Windeck
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Der Milliardenkonzern Amazon macht den Einzelhandel platt. Rücksichtslos reißt Amazon Macht und Umsatz an sich. Die Schäden für die betroffenen Branchen und allmählich auch für unsere Gesellschaft wachsen immer schneller. Es ist an der Zeit, den Durchmarsch zu bremsen.

Selbstverständlich hat Amazon gute Seiten. Das Unternehmen zeigt, wie Online-Handel funktionieren muss, damit Kunden zufrieden sind. Viele Konkurrenten bekommen das nicht hin, und das ist nicht Amazons Schuld. Die Musikindustrie beispielsweise kommt allmählich erst in die Strümpfe, nachdem sie jahrelang mit Lobbyismus und der unsäglichen Raubkopierer-Kampagne versucht hat, ihre Pfründe zu sichern. Erfrischend wirkt auch der Wind, den Amazon ins verschnarchte Verlagswesen bläst und in das bis zur Leichenstarre totsubventionierte öffentlich-rechtliche Fernsehen. Als Cloud-Dienstleister ist Amazon Vorbild für eine neue Branche.

Ein Kommentar von Christof Windeck

Christof Windeck (ciw) schreibt für c't und heise online über PC- und Server-Hardware. Er kam nach einem Studium der Elektrotechnik und sieben Jahren in einem kleinen Industriebetrieb 1999 zur c't und ist heute leitender Redakteur des Ressorts PC-Hardware.

Doch der weltgrößte Online-Händler wächst zum Monster heran. Die schiere Größe und die internationale Verflechtung erlaubt Amazon Steuertricks, die kleineren Konkurrenten verwehrt sind. Zulieferer setzt man gnadenlos unter Druck, wie endlose Streitigkeiten zwischen Amazon und Verlagen zeigen. Statt höhere Löhne oder Steuern zu zahlen, nutzt der Gigant seine Einnahmen dazu, ganze Branchen auszuhebeln – um anschließend ungestört von lästiger Konkurrenz die Regeln zu diktieren.

Die Folgen der Hammerpreise wiegen schwer: In kleineren und mittleren Städten stirbt der Einzelhandel aus. Stattdessen behindern immer mehr Lieferwagen den Verkehr. Man traut sich kaum, auf die gehetzten Fahrer zu schimpfen, die mit Zeitverträgen und Mindestlohn abgespeist werden. Zwar hat der kleine Foto- oder Buchladen an der Ecke auch nicht toll bezahlt, aber prekäre Leiharbeit im Versandlager und beim Lieferdienst schadet allen: den Beschäftigten, der Umwelt, den Gemeinden. Gähnend leere Fußgängerzonen lassen sich ohne Gewerbesteuer kaum wieder beleben.

Selbst innovativen Versandhändlern gräbt Amazon das Wasser ab: Der Marketplace spült asiatische Billigheimer direkt auf den hiesigen Markt, oft genug vorbei an der Einfuhrumsatzsteuer sowie an Regeln zu Produktsicherheit, Verbraucher- und Umweltschutz. Mit solchen Wildwestmethoden können EU-Händler nicht mithalten. Als Kollateralschaden haben es Produktfälschungen leichter, noch mehr Steuern und Arbeitsplätze fallen weg.

Gesetze sollen für einen Ausgleich der Interessen Einzelner sorgen. Das klappt aber nur, wenn alle nach denselben Regeln spielen. Wer sich unfaire Vorteile verschafft, muss in die Schranken gewiesen werden. Hallo Politiker, wo bleibt der Schiedsrichter?

Hinweis in eigener Sache: Der Kommentar erschien als Editorial bereits in c't 12/15, hat von seiner Aktualität und Aussagekraft seitdem aber nichts eingebüßt. (ciw) / (axk)