Kommentar zu 20 Jahren Amazon: Danke für die vielen Päckchen

Man muss Amazon nicht mögen, muss es aber auch nicht hassen. Ein sechzehnjähriger Kunde... nein, ein seit 16 Jahren treuer Kunde erklärt, warum er immer noch gerne Artikel "In den Einkaufswagen" klickt.

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Amazon

(Bild: dpa, Armin Weigel / Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Gerald Himmelein
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Anlässlich des 20-jährigen Amazon-Jubiläums habe ich gerade im Anfang meines Amazon-Bestellverlaufs gestöbert – 16 Jahre zurück in die Vergangenheit. Es ist die kapitalistisch-dekadente Version des melancholischen Blicks ins Familien-Fotoalbum. In meinen ersten Bestellungen fand ich ein Buch, das ich 1999 bestellt und bis heute noch nicht gelesen habe. Kommt aber noch, versprochen.

Kurz gruselte mir beim Gedanken, dass Amazon immer weiß, was ich damals gekauft habe, dann nahm die Nostalgie wieder überhand.

Tolles Buch, aber – immer noch nicht gelesen.

Amazon hat mich frühzeitig mit CD-Importen, englischsprachigen Büchern und später DVDs versorgt. Wenn irgendwas privat oder beruflich Scheiße gelaufen war, klickte ich auf das Lesezeichen von Amazon und kaufte mir was Schönes – "Retail Therapy" in Reinkultur. Zwei, drei Tage oder Wochen später kam dann ein Päckchen. Da hatte ich meinen Frust längst vergessen, oft auch die Bestellung. So war der Inhalt wie vorgezogenes Weihnachten – sofern nicht der Zoll seinen Daumen draufgelegt hatte.

Als die Bücher- und CD- und DVD-Handlung schrittweise in alle Richtungen ihr Sortiment ausweitete, habe ich tapfer mitzuhalten versucht.

Ein paar Do's und Don'ts aus meinem Erfahrungsschatz: Spar-Abos lohnen sich nicht – Zahnbürstenköpfe halten länger, als Amazon glaubt. Kaufe nie etwas mit 1-Click; spätestens zwei Klicks später bereust Du es. Glaube keinem Rezensenten, der das Produkt gratis erhalten hat. Gehe lieber in einen Elektronikmarkt, als 5 Euro Strafzoll dafür zu zahlen, dass die Bundesprüfstelle "Starship Troopers" nicht versteht.

Ein Kommentar von Gerald Himmelein

Gerald Himmelein schreibt seit 1998 für die c't und heise online. Er beschäftigt sich mit Dingen, die einem auf den Fuß (Hardware) ebenso wie mit Dingen, die einem auf die Nerven fallen können (Software). Also von Grafiktabletts und Tastaturen über Malprogramme und 3D-Grafik bis hin zu Windows-Troubleshooting.

Bestelle nie etwas bei Amazon, was Du dringend zu einem bestimmten Termin brauchst: Nur weil Prime einen Termin garantiert, muss sich der Paketbote noch lange nicht dran halten. Für Lebensmittel bleibt der Supermarkt der Einkaufsort der Wahl. Auch Flüssigwaschmittel kauft man lieber im Laden: Den Werfern im Versand ist egal, was für Warnungen auf einem Karton kleben. Schuhe sind auch keine gute Idee, wenn man keine normkonformen Füße hat.

Momentan ist es Mode zu jammern, dass Amazon den Einzelhandel kaputt macht. Dabei war mein Plattendealer schon pleite gegangen, bevor das Online-Shopping überhaupt hochkochte. Damals war es der böse Media Markt, der dem kleinen Plattenladen die Kalkulation kaputt gemacht hat. Heute macht Amazon den Media Markt platt. In den Worten eines großen Philosophen: "Es gibt immer einen noch größeren Fisch."

Irgendwann wird es also auch Amazon an den Kragen gehen. Und wenn dafür Aliens auf der Erde landen müssen, um uns hocheffizient ganz viele Dinge anzubieten, die wir eigentlich nicht brauchen, aber dennoch wollen werden. In diesem Sinne: Happy Birthday, altes Haus. Mal sehen, was das nächste Päckchen bringt.

(ghi)