Kommentar zu den neuen AGBs bei WhatsApp: Es gibt doch nichts geschenkt
Seit dem Kauf durch Facebook war WhatsApp seltsam antikapitalistisch: Die App ist kostenlos und Facebook durfte nicht an die Nutzerdaten. Die neuen Datenschutzrichtlinien beenden nur die verkehrte Welt, findet Johannes Merkert.
WhatsApp stellte die letzten Jahre den Kapitalismus auf den Kopf: Die App war kostenlos und sammelte keine Daten zu Werbezwecken. Wenn ein Start-up so einen kostenlosen Dienst startet und Investoren Schlange stehen, um diesem Unternehmen ihr Geld zu geben, werden Sie dann auch misstrauisch? Fragen Sie sich dann auch, womit das Start-up mal Geld verdienen will und auf welche Weise man für den Dienst werden bezahlen müssen? Ich gehe in so einem Fall immer davon aus, dass ich versteckt mit Daten statt Geld zahlen muss.
WhatsApp war mal eine schöne Ausnahme. Man musste als Kunde für die App bezahlen. Dieses Geschäftsmodell versteht jeder. Als Facebook dann WhatsApp kaufte, wurde die Welt wieder kompliziert: Facebook verschenkte den WhatsApp-Messenger, wollte aber scheinbar nicht an die Daten der Nutzer. Laut WhatsApps Datenschutzbedingungen durfte der Konzern gar nicht an die Daten ran.
Als WhatsApp im letzten Jahr auch noch eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einführte, schienen gar die Grundfesten der Marktwirtschaft erschüttert. Verschenkte hier Facebook wirklich einen technisch ausgefeilten Messenger, nur um das Bedürfnis der Menschheit nach Kurznachrichten und Gruppen-Chats zu befriedigen?
Datenkapitalismus siegt
Mit den aktualisierten Datenschutzbedingungen stellt Facebook den Kapitalismus wieder auf die Füße. Der Mutterkonzern räumt sich nun das Recht ein, Daten aus WhatsApp zu übernehmen. Konkret benennt die FAQ auf der Webseite die eigene Telefonnummer und Nutzungszeiten. Die Datenschutzbestimmungen schließen aber auch andere Metadaten nicht aus. Mit wem Sie wie oft schreiben und in welchen Gruppen Sie sind, könnte Facebooks sozialen Graphen um hochwertige Daten erweitern. Insbesondere die dürftige Datenlage zu den jungen WhatsApp-Nutzern ohne Facebook-Account würde mit dem Schritt entscheidend größer. In jedem Fall helfen die Daten Facebook, noch mehr Menschen noch besser zu kennen. Im Markt um zielgerichtete Anzeigen ist das bares Geld.
Für die Nutzer heißt das, dass ein Grundgesetz des Kapitalismus doch wieder gilt: Es gibt nichts geschenkt. WhatsApp-Nutzer müssen nun genauso mit ihrem sozialen Profil zahlen, wie das Facebook- und Google-Nutzer seit Langem tun. WhatsApps antikapitalistische Phase diente wohl nur dazu, viele Nutzer anzulocken. Die dürfen jetzt wählen, ob sie Überwachung akzeptieren oder eben nicht mehr mit der Mehrzahl ihrer Freunde chatten können.
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(pmk)