Kritik von Kelber: Private Stellen sollen Zugriff auf E-Pass-Daten erhalten
Der Datenschutzbeauftragte hat grundsätzliche Bedenken gegen das vierte Bürokratieentlastungsgesetz, weil Unternehmen Biometriedaten aus Chips auslesen dürften.
In seinen letzten Amtstagen läuft der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Sturm gegen das Vorhaben der Bundesregierung, Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Flugplätzen und Bodenabfertigungsdienstleistern Zugang zu den auf dem Chip des Reisepasses aufbewahrten Daten inklusiver biometrischer Merkmale zu geben. Damit würden nichtöffentliche Stellen erstmals ermächtigt, "auf in amtlichen Pässen gespeicherte, hoheitlich angefertigte biometrische Lichtbilder zuzugreifen", warnt der Kontrolleur vor massiven Missbrauchsrisiken. Diese stünden "außer Verhältnis zu der intendierten Verbesserung des individuellen Reiseerlebnisses". Vorgesehene technische Schutzmaßnahmen könnten diese Grundgefahr nicht ausräumen, sodass "weiterhin grundsätzliche Bedenken" bestünden.
Hunderttausende Stunden Zeitersparnis
Stein des Anstoßes: Die Regierung hat in ihrem Entwurf für das vierte Bürokratieentlastungsgesetz entsprechende Änderungen des Pass- und des Luftverkehrsgesetzes eingebaut. Soweit die Fluggastabfertigung digital durchgeführt werden darf, sollen die dafür zuständigen privaten Stellen befugt werden, aus dem Chip das biometrische Lichtbild "zum einmaligen Abgleich zur Überprüfung der Übereinstimmung mit den physiologischen Merkmalen einer vom Fluggast mit dessen Einwilligung am Flugplatz erstellten Bildaufnahme zum Zweck der Identitätsprüfung des Passinhabers sowie zur Überprüfung der Echtheit des Chips" und daraus bezogener Daten auszulesen. Namen und weitere Informationen aus dem elektronischen Speicher dürften ebenfalls verarbeitet werden.
Die Bildaufnahme muss dem Plan zufolge nach dem Erheben oder Auslesen zur Weiterverarbeitung in ein biometrisches Muster umgewandelt werden. Die ausgelesenen und verarbeiteten Daten sowie dieses Template sollen im Anschluss unverzüglich beziehungsweise spätestens drei Stunden nach Abflug gelöscht werden. Generell sei sicherzustellen, dass die Überprüfungen "auf dem jeweiligen Stand der Technik" erfolgen. Die Exekutive will damit "das Reiseerlebnis des Fluggastes" verbessern. Sie rechnet mit etwa 37,9 Millionen privaten Flugreisen pro Jahr. Die zeitliche Einsparung durch die Umsetzung der gesetzlichen Änderungen bemisst sie mit einer Minute je Fluggast. In Summe würden so die Bürger um etwa 631.500 Stunden jährlich entlastet.
Kontrolle ĂĽber Biometriedaten auf dem Chip noch zu wahren?
Für Kelber ist laut seiner Stellungnahme für eine Bundestagsanhörung zu der Initiative am Mittwoch aber nicht ersichtlich, dass der Vorgang für das bereits auch für Private mögliche Auslesen von Daten aus der maschinenlesbaren Zone des Passes "sich wesentlich in Geschwindigkeit und Komfort vom Auslesen des Chips unterscheidet". In beiden Fällen müsse der Passagier das Dokument nahe an ein Lesegerät bringen "und die Daten sollten in einer im Vergleich zum Gesamtvorgang vernachlässigbaren Zeit ausgelesen sein". Eine Beschleunigung der Abfertigungsprozesse sei nicht erkennbar. Dass die zur Erfüllung rein hoheitlicher Aufgaben erhobenen Daten, die zunächst nur Polizeivollzugsbehörden, die Zollverwaltung sowie Meldeämter verarbeiten durften, "für das Angebot optionaler Komfortleistungen nichtöffentlicher Stellen freigegeben werden" sollen, "würde zu einer grundlegenden Verschiebung des Nutzungsregimes der im Chip der amtlichen Ausweisdokumente gespeicherten Daten führen" und auch bei anderen privaten Stellen Begehrlichkeiten wecken.
Auch aus Sicherheitsgründen sei das Auslesen des Lichtbilds durch die vorgesehenen Unternehmen nicht erforderlich, erklärt Kelber. Für Serviceangebote zur Verbesserung des Reiseerlebnisses sei eine Identitätsprüfung per Sichtvergleich des aufgedruckten Lichtbilds ausreichend. Dazu komme, dass im weiteren Abfertigungsprozess an die Stelle des bislang bloßen Vorzeigens der Bordkarte offenbar in der Regel eine Identifizierung von Passagieren mittels biometrischer Verfahren treten solle. Damit würde das "bisher eingriffsarme Verfahren durch einen wesentlich grundrechtssensibleren Prozess ersetzt". Die erforderliche freiwillige Einwilligung sei zweifelhaft, wenn die Weigerung eines Passagiers zur Zugriffsgewährung zu Nachteilen wie einer längeren Wartezeit oder gar dem Verpassen des Fliegers führen könnte.
(mho)