L&H kommt Ende November endgültig unter den Hammer

Die verbliebenen Unternehmenteile der belgischen Sprachenschmiede Lernout & Hauspie werden am 26. November in New York City zwangsversteigert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Nachdem Sprachenspezialist Lernout & Hauspie am 24. Oktober in Belgien für bankrott erklärt wurde, hat nun ein US-Gericht in Delaware die Versteigerung der verbliebenen L&H-Unternehmensteile für den 26. November angesetzt. Bei dieser Zwangsversteigerung wird die Sprachtechnologiesparte der belgischen Softwareschmiede verhökert.

Bereits im März wechselte der L&H-Unternehmensteil für Automobilanwendungen den Besitzer, Fahrzeugteilehersteller Visteon erwarb ihn für 13,1 Millionen US-Dollar.

Bei einer Versteigerung der Übersetzungssparte Anfang August überbot Bowne & Co das ursprüngliche Angebot der Lionbridge Technologies von 27 Millionen US-Dollar und kaufte die ehemalige Mendez Translation für 44,5 Millionen US-Dollar). Diese verzeichnete zuletzt Einnahmen von rund 80 Millionen US-Dollar pro Jahr; nicht zuletzt deshalb lagen die ursprünglichen L&H-Forderungen für den Mendez-Unternehmensteil bei 160 Millionen US-Dollar.

Die L&H-Tochter Dictaphone, die die Belgier im März 2000 übernommen hatten, will dagegen wieder eigenständig werden. Über die exakten Bedingungen des im August eingereichten Plans wird noch verhandelt.

Ende Oktober ersteigerte die Firma Medquist schließlich die L&H-Transkriptionsparte für Medizinanwendungen für 25 Millionen US-Dollar. Das war der letzte Teilverkauf genau drei Tage vor der Bankrotterklärung des einstigen Vorzeigeunternehmens.

Die Sprachtechnologiebereiche gelten als die "Kronjuwelen" Lernout & Hauspies. Für die Zwangsversteigerung wurde die in den USA und Belgien ansässige "Speech and Language Technologie Division" (SLT) in acht Teile gegliedert, wobei das Gericht für jeden Bereich ein Mindestgebot festgelegt hat. Unter den acht Kandidaten befindet sich auch die ehemalige Dragon Systems, die L&H im März 2000 übernommen hatte. Deren Diktiersoftware NaturallySpeaking, die in der Version 6 mit L&Hs VoiceXpress kombiniert wurde, dürfte so manchen Interessenten finden. Laut Gerichtsbeschluss liegt das Mindestgebot hier bei sechs Millionen US-Dollar -- nicht viel wenn man bedenkt, dass seinerzeit dafür L&H-Aktien im Wert von 593 Millionen US-Dollar verschoben wurden. Allerdings auch nicht wenig angesichts der Tatsache, dass eine L&H-Aktie heute praktisch wertlos ist.

Die SpeechWorks International hat L&H kurz vor dem Bankrott eine Kaufgebot für zwei der acht SLT-Bereiche über 12,2 Millionen US-Dollar unterbreitet, darunter aller Wahrscheinlichkeit nach auch für die ehemalige Dragon Systems. Dieser Übernahmeversuch wurde zwar im Verlauf der Konkurses vom Gericht abgewehrt, doch SpeechWorks scheint das Angebot aufrecht zu halten. Die Vertriebsgesellschaft Mediagold will nach eigenen Angaben ebenfalls ein Angebot für die Spracherkennungssparte abgeben. Eine Investorengruppe hat dafür bereits ein Unternehmen namens Mastervoice gebildet, erläuterte Mediagold-Firmengründer Goldstein im Gespräch mit heise online. Mediagold hat im April des Jahres eine Lizenzvereinbarung mit L&H geschlossen und seitdem das exklusive europäische Vertriebs- und Vermarktungsrecht der Dragon-Diktiersysteme. Auch James und Janet Baker sollen unter den Bieter sein: Die beiden Dragon-Firmengründer haben durch den Aktientausch im vergangenen Jahr zwar viel Geld verloren, aber offenbar nicht den Glauben an ihr "Kind".

Laut Gerichtsbeschluss entscheidet bei der SLT-Versteigerung nicht allein die Höhe der Angebote über den Zuschlag. Die Bieter müssen zudem erklären, wie viel des derzeitigen L&H-Personals sie gegebenenfalls übernehmen würden. Diese Klausel soll insbesondere die verbliebenen Mitarbeiter in der L&H-Europazentrale im belgischen Ieper schützen.

Vor gut einem Jahr ordnete man Lernout & Hauspie noch einen Marktwert von 10 Milliarden US-Dollar zu, heute sitzt der einstige Überflieger auf einem Schuldenberg von rund 460 Millionen US-Dollar. Das Unternehmen steht mit 300 Millionen US-Dollar bei fünf Großbanken, darunter der Deutschen Bank, in der Kreide. Außerdem gibt es noch eine Menge betrogener Kleinaktionäre, die mit dem Aussetzen der L&H-Aktie an den internationalen Börsen viel Geld verloren haben. Die bereits getätigten Veräußerungen und die minimal geforderten 21 Millionen US-Dollar aus der nunmehr letzten Zwangsversteigerung sind deshalb -- auch wenn die Verkaufserlöse etwas höher ausfallen sollten -- kaum mehr als der besagte Tropfen auf den heißen Stein. Der einstige New Economy-Musterknabe Lernout & Hauspie fliegt damit endgültig von der Schule. (uk)