LKW-Platooning: Sicher, aber nicht so sparsam wie erwartet

Teilnehmer des Pilotprojekts ziehen ein positives Fazit. Bis zum Praxisbetrieb dauert es aber noch – und einige Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 310 Kommentare lesen
LKW-Platooning: Sicher, aber nicht so effizient wie erwartet

Das Fresenius-Institut hat die Hirnströme und Augenbewegungen der Konvoi-Fahrer analysiert.

(Bild: heise online/Krempl)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Fahrten mit vernetzten Lastwagen auf dem Testfeld der A9 sind "sicher, funktionieren technisch zuverlässig und lassen sich gut im Alltag eines Logistik-Unternehmens einsetzen". Zu diesem Ergebnis kommen die Partner des Forschungsprojekts "elektronische Deichsel" (Eddi) nach dem weltweit ersten Praxistest mit "Lkw-Platoons" im realen Logistikbetrieb, zu denen MAN Truck & Bus, DB Schenker und die Hochschule Fresenius gehören. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur förderte die Initiative mit rund 1,9 Millionen Euro.

Zwei MAN-Gliederzüge waren für das Pilotprojekt digital vernetzt und fuhren in diesem Zustand mit einem Abstand von 15 bis 21 Metern. Sie waren jeweils abends und nachts unterwegs und legten zwischen August und Dezember insgesamt rund 35.000 Kilometer zurück. Der hintere Lkw nebst Anhänger reagierte dabei synchron ohne aktives Eingreifen des Fahrers, der aber seine Hände immer am Steuer behalten sollte. Bei einscherenden Verkehrsteilnehmern oder vor Autobahnbaustellen löste sich der Platoon auf.

Das LKW-Platoon unterwegs.

(Bild: Hochschule Fresenius )

Das mit verschiedenen Kameras, Radar und Lidar ausgestattete System hat dabei laut den Partnern eine "hohe Robustheit" gezeigt und "zu 98 Prozent reibungslos" gearbeitet. "Nur alle 2000 Kilometer mussten wir manuell eingreifen", erklärte Joachim Drees, Vorstandsvorsitzender MAN Truck & Bus, am Freitag bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin. Dies sei ein "sehr guter Wert". Nicht erfüllten sich dagegen die Erwartungen, dass das Fahren im Windschatten rund zehn Prozent Sprit spare. Drees bezifferte die tatsächliche Kraftstoffeinsparung mit "drei bis vier Prozent".

Auch dies stelle eine CO2-Reduktion dar und sei noch ausbaufähig, betonte der Chef des Lkw-Bauers. Die Abweichung erklärte er unter anderem damit, dass nicht die neuesten, mit Instrumenten wie "Efficient Cruise & Roll" ausgestatteten Brummis hätten eingesetzt werden können, da die Höchstgeschwindigkeit für den Versuch strikt auf 80 Prozent beschränkt gewesen sei. Effizientere Varianten lägen etwa bei der Bergabfahrt leicht darüber. Zudem sei die A9 auf der Teststrecke zwischen München und Nürnberg sehr stark befahren, sodass der Konvoi vergleichsweise häufig automatisch habe aufgelöst werden müssen.

Die Lkws könnten auch noch enger mit einem Abstand von bis zu 12,5 Metern zusammenfahren, erläuterte Drees weitere Einsparpotenziale. Insgesamt sieht er in dem Projekt einen "wichtigen Schritt in Richtung automatisiertes Fahren". Jenseits des Zweier-Platoons seien auch Dreier- oder Vierer-Verbünde "keine große technische Herausforderung mehr" und könnten "relativ schnell serienreif" gemacht werden. Es gehe aber noch darum, das richtige Geschäftsmodell dafür zu finden. Vor 2023 rechnet er damit nicht mit digitalen Deichselfahrten im großen Stil auf europäischen Straßen.

Joachim Drees (MAN), Alexander Doll (Deutsche Bahn), Tobias Miethaner (BMVI), Testfahrer Andy Kipping sowie Sabine Hammer und Christian Haas von der Fresenius-Hochschule.

(Bild: heise online/Krempl)

Die Verbindung der Trucks erfolgte über die WLAN-Spezifikation 802.11p alias ITS-G5, die speziell für die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation entwickelt wurde und dank hoher Reichweiten als verlässlich gilt. Derzeit geht quer durch die Automobilbranche und die Politik aber ein Riss, ob dieser Standard für das vernetzte Fahren eingesetzt werden soll oder die Mobilfunkvariante C-V2X. Auch fürs Platooning sei das Format "noch nicht geklärt", konstatierte dazu Drees.

Tobias Miethaner, Leiter der Abteilung digitale Gesellschaft im Bundesverkehrsministerium, zeigte sich erleichtert, dass es "keine sicherheitskritischen Situationen gegeben" habe. Das Zusammenspiel mit den Fahrern habe "sehr gut funktioniert", was Hoffnungen mache auch für das automatisierte oder autonome Fahren generell. Die spannende Frage dabei sei, wie der Mensch auf eine "Übernahmeaufforderung" der Maschine reagiere und "wie wir ihn zurück in den Loop kriegen".

Auf die Fahrer, die weiterhin benötigt würden, hatten die Projektbeteiligten laut Miethaner daher einen besonderen Fokus gelegt. Viele Bedenken gegenüber der Automatisierung hätten sich demnach "sehr schnell relativiert". Die Trucker seien im Vorfeld "sehr skeptisch" gewesen wegen des geringen Abstands oder der Furcht vor Hackerangriffen, sich aber schon bei Übungsfahrten "wahnsinnig schnell" an das System gewöhnt, berichtete Sabine Hammer, Professorin für Sozialforschung an der Hochschule Fresenius. Platooning sei "sicherer als das manuelle Fahren".

Die Fresenius-Forscher überwachten die Fahrer mithilfe einer Elektroenzephylogramm-Haube (EEG) und einer mobilen Brille zur Blickfokussierung im realen Verkehr. "Mehrere Hunderte Milliarden Daten" seien dabei zusammengekommen, führte Christian Haas, Direktor des Instituts für komplexe Systemforschung an der Hochschule aus. Ablesbar gewesen sei daraus, dass die "Piloten" weder angestrengter noch ermüdeter im Platooning-Betrieb gewesen seien. Vereinzelt hätten sie beim Entkoppeln länger als zwei Sekunden aufs Display geschaut, generell hätten aber auch unerwartete "Einscherer" nicht zu einer erhöhten Aktivität geführt.

"Ums Ersetzen geht es im Moment gar nicht", versuchte Hammer Ängste vor Arbeitslosigkeit von Berufskraftfahrern zu widerlegen. Die normale Fahraufgabe bleibe, dazu kämen aber zusätzliche Steueraufgaben, die ein spezielles Training erforderten. Diese Zusatzqualifizierung könnte auch "das Berufsbild von außen etwas aufwerten". Das Verkehrsressort will die Resultate nun zunächst im Detail auswerten, um auf dieser Basis weitere Entscheidungen möglicherweise auch für Gesetzesänderungen vorzubereiten. (vbr)