Ladybird-Entwickler im Interview: Was bei der Browser-Alternative richtig läuft

Programmierspaß und Open-Source-Begeisterung als Antrieb, nicht der schnöde Zwang eines Nutzwerts: Andreas Kling, der Kopf hinter Ladybird, im Interview.

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Lesezeit: 8 Min.

Mit SerenityOS hat der Schwede Andreas Kling sein eigenes freies, Unix-ähnliches Betriebssystem geschaffen. Nun haben er und sein Team, allen voran das Community-Mitglied DexesTTP, die eigens dafür entwickelte Browser-Engine LibWeb auf Linux portiert. iX hat mit dem Ladybird-Entwickler über seine Motivation und die Zukunft des alternativen Browsers gesprochen. Das Interview fand auf Englisch statt, das Original findet sich unter der Übersetzung – original english interview below.

Serenity-Entwickler Andreas Kling

Andreas Kling ist der Hauptentwickler des unix-ähnlichen Betriebssytems SerenityOS. In der Vergangenheit war er bei Apple und Nokia tätig, arbeitet seit Mai 2021 aber in Vollzeit an SerenityOS. Kürzlich hat er live ein Linux-GUI für die Browser Engine LibWeb von Serenity gecodet.

In deinem Coding-Video meinst du am Anfang, dass du bislang noch keinen Linux-Browser entwickelt hättest, weil du daran bis jetzt kein Interesse hattest. Danach sagst du: "Heute habe ich auf einmal Interesse". Was hat zu diesem plötzlichen Wandel geführt?

Letzte Woche habe ich die Dokumentation Project Code Rush über das Open-Sourcing von Netscape damals in den späten 1990ern gesehen. Ich war erst ein Teenager, als das passiert ist, und es war fantastisch zu sehen, was hinter den Kulissen des Browsers geschah, den ich damals selbst benutzt habe.

Als ich sah, wie begeistert die Leute von Browsern waren, dachte ich mir, dass es Spaß machen könnte, unseren SerenityOS-Browser auf anderen Plattformen nutzbar zu machen. Unsere LibWeb-Engine konnte schon unter Linux kompiliert werden, aber noch niemand hatte ein eigene grafische Benutzeroberfläche dafür gemacht. Da dachte ich: "Warum nicht?"

Welche technischen Schwierigkeiten sind dir bei dir Arbeit mit Linux im Vergleich zu Unix und SerenityOS begegnet?

Ich hatte eigentlich gar keine größeren Schwierigkeiten bis jetzt, was vor allem dem exzellenten Qt-Framework zu verdanken ist, das eine großartige Grundlage für das Bauen von Anwendungen bietet (und es uns in Zukunft auch erlauben könnte, unseren Browser auf macOS- und Windows-Systemen zu betreiben!)

NatĂĽrlich hilft es, dass ich frĂĽher selbst im Qt-Team als Entwickler des QtWebKit-Browsers gearbeitet habe. Da gibt es also schon eine Menge Vertrautheit.

Die Reaktionen auf dein Projekt reichen von Ekstase bis zu großen Zweifeln: Einige Kommentatoren waren sehr enthusiastisch und sprachen davon, wohl bei etwas wirklich Spektakulärem dabei zu sein. Andere waren zurückhaltender und meinten, ihr hättet keine Chance, weil das Internet inzwischen viel zu komplex geworden sei für einen Browser, der von so einem kleinen Team entwickelt wird. Wie siehst du die Zukunft von Ladybird? Hat der Browser eine Chance, ein echter Konkurrent zu den Marktführern Blink und Gecko zu werden, jetzt wo er das Serenity-Silo verlassen hat?

Leute, die noch nie an Browsern gearbeitet haben, tendieren dazu, deren Komplexität zu mystifizieren. Ich habe sie fast mein ganzes Erwachsenenleben lang gebaut, deshalb weiß ich, was in einem Browser steckt. Ja, es kostet viel Arbeit, aber nichts davon ist Zauberei, es ist absolut machbar.

Trotzdem liegt noch ein langer Weg vor uns. Viele CSS-Features fehlen oder sind defekt. Unsere JavaScript-Engine hat einen guten Funktionsumfang, ist aber fĂĽr einige Seiten noch zu langsam. Und mit der Audio/Video-Implementierung haben wir noch nicht einmal angefangen. Aber auch das werden wir irgendwann angehen.

Was die Zukunft angeht: Wer weiĂź. Ich habe einfach SpaĂź und baue Software mit Freunden. Wenn sich daraus etwas NĂĽtzliches fĂĽr die Welt entwickelt, ist das groĂźartig! Wenn nicht, dann hatten wir immer noch eine Menge SpaĂź bei der Entwicklung!

Mir persönlich bereitet es große Freude zu sehen, wie eine neue Generation von Browser-Entwicklern das Handwerkszeug erlernt, indem sie an unserer Engine arbeiten. Die meisten Leute in unserem Team hatten vorher noch nie Browser-Code gesehen und sind jetzt zu echten Experten geworden. Da wird mir richtig warm ums Herz!

Andreas, vielen Dank fĂĽr deine Antworten. Mehr Informationen zum neuen Linux-Browser Ladybird finden sich in unserer Nachrichtenmeldung.

In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

In your coding video, you said you hadn't started coding a Linux browser yourself because up until now you weren't interested. Then you said: "Today, I suddenly feel interested". What's the reason for the sudden spark of interest?

Last week, I watched a documentary called Project Code Rush about the open sourcing of Netscape back in the late 1990s. I was just a teenager while that was happening, and it was awesome to see what was happening behind the scenes of the browser I was using myself back then.

Seeing people excited about browsers got me thinking it could be fun to make our SerenityOS browser usable on other platforms. Our LibWeb engine could already compile on Linux, but no one had made an actual GUI for it. So I thought "why not?"

Which technical difficulties did you face working with Linux in comparison to Unix and SerenityOS?

I haven't had any major difficulties so far, much thanks to the excellent Qt framework, which provides a great abstraction for building apps (and could also let us run the browser on macOS and Windows in the future!)

Of course, it helps that I used to work on the Qt team in the past, as a developer of the QtWebKit browser engine. So there's a lot of familiarity here already.

Reactions on your project ranged from ecstasy to doubt: Some commenters were quite enthusiastic and spoke about witnessing something truly spectacular. Others were more reluctant and said you didn't stand a chance, as the web had gotten much too complex for a browser created by such a small team of developers. What's in the future for Ladybird? Is there a chance of it becoming a serious competitor to the market leaders Bling and Gecko now that it's left the Serenity silo?

People who haven't worked on browsers tend to mythologize their complexity. I've been building browsers for most of my adult life, so I know what goes into one. Yes, it's a lot of work, but none of it is magic, and it can absolutely be done.

Still, there's a long road ahead of us. Many CSS features are missing or broken. Our JavaScript engine has good functional coverage, but is too slow for some sites. And we haven't even started on audio/video. But we will get there too, eventually.

As for the future, who knows. I'm just having fun and building software with friends. If it turns into something useful for the world, great! If it doesn't, we still had a ton of fun while making it!

On a personal note, I really enjoy seeing a new generation of browser developers learn the craft by working on our engine. Most of the people on our team had never even seen browser code before, and now they've become serious experts. It really warms my heart!

Andreas, thank you for your answers. (jvo)