Lahme Ministerien bremsen britisches E-Government

Derzeit sei bei vielen britischen Ministerien weder das Wissen noch die Fähigkeit vorhanden, innovative Dienstleistungen über das Netz anzubieten.

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Von
  • Andreas Grote

Nach einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Forrester Research wird die britische Regierung ihre selbst gesteckten Ziele in Sachen E-Government nicht erreichen. Bis 2005 will sie allen Bürgern staatliche Dienstleistungen auch per Internet anbieten und dadurch, zusammen mit Einsparungen aus dem elektronischen Handel mit Lieferanten, rund 10 Milliarden Mark einsparen.

Die Analysten bei Forrester vergaben an 9 von 14 untersuchten Ministerien und Ämtern die Note "D" oder "E" (auf einer Skala von A bis F). Während das Erziehungs-, Handels-, Innen-, Kultus- und Umweltministerium immerhin noch die Note "C" erhielten, mussten sich unter anderem die Ministerien für Auswärtiges, Technik, Nordirland und Landwirtschaft mit der Note "D" begnügen; das staatliche Statistikamt, prädestiniert für Informationsangebote über das Web, erlangte zusammen mit drei weiteren Ministerien die schlechteste Note "E". Gerade jene Ministerien, die ihre Dienstleistungen noch am ehesten über das Netz präsentieren und auf dem Weg zur digitalen Demokratie eine Führungsrolle einnehmen könnten, erhielten mit die schlechtesten Noten.

Die Untersuchung von Forrester basiert auf Interviews mit Beschäftigten in den 14 untersuchten Ministerien und auf Nachfragen bei Lieferanten, die öffentliche Stellen mit technischer Ausrüstung beliefern. In 12 Kategorien vergab Forrester Punkte an die Ministerien, unter anderem für ihre langfristigen Zukunftspläne, wie engagiert sie sind, um das gesteckte Ziel zu erreichen, ihre Meinung, von welchen Partnern aus der Wirtschaft sie dazu Unterstützung benötigen würden und mit welchen Kosteneinsparungen sie dadurch rechnen.

Das Fazit von Forrester Research: Derzeit ist bei vielen Ministerien weder das erforderliche Wissen noch die Fähigkeiten vorhanden, innovative Dienstleistungen über das Netz anzubieten. Die Forscher haben daher starke Zweifel, ob die Regierung um Premierminister Tony Blair ihr Ziel in der vorgegebenen Zeit erreichen wird. Aus den Reihen der befragten Lieferanten trauen der Regierung das nur noch 13 Prozent zu.

Die Autorin der Untersuchung, Caroline Sceats, macht dafür die Einstellung in den einzelnen Ministerien verantwortlich, die zu lange über ihrer Vision brüten anstatt endlich zu handeln. Dabei bleibt auch der Premierminister nicht ungeschoren. Hatte Tony Blair im vergangenen Jahr noch jede Woche eine Internet-Übertragung aus der Downing-Street abgehalten, so stammt die letzte Aufzeichnung aus dem November. Eine ungeschickte Demonstration, denn "beim Bürger Interesse zu wecken war noch das Einfachste am ganzen Plan", meint Sceats. Eine Veränderung der verkrusteten Bürokratie wird dagegen noch schwerer, denn hier ist die Tradition noch stärker als der Wille zur Veränderung. Durch die anvisierte Deadline macht es sich die Regierung zudem selbst noch schwerer. Einen so knapp bemessenen Zeitplan könnten nur kleine und sehr dynamische Firmen umsetzen, meint Sceats. Große Firmen dagegen bewegen sich nur langsam. Vielleicht sollte sich die Regierung besser diesem Tempo anpassen, so der gute Rat der Autorin.

Dass es in überschaubareren Einheiten wirklich besser funktioniert, zeigen die Fortschritte in den einzelnen Regierungsbezirken auf der Insel. Erst vor einer Woche hatten die 110.000 Einwohner der Städte Bracknell, Crowthorne, Sandhurst und Winkfield eine digitale Identität erhalten. Damit können sie von zu Hause aus den E-Mail-Austausch mit dem zuständigen Sachbearbeiter erledigen, aber auch fällige Steuern einsehen und bezahlen, den Bearbeitungs- und Genehmigungsstatus beantragter Baupläne abfragen, die neuesten Beschlüsse des Stadtrates kommentieren oder allgemeine und persönliche Informationen abrufen. Und das britische Justizministerium will in Zukunft zumindest bei kleineren zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten ein papierloses Verfahren ermöglichen, indem Zivilklagen über ein vorgefertigtes Formular per Internet eingereicht werden können. (Andreas Grote) / (jk)