Lieferfahrer-Startup: Genossenschaft statt Risikokapital

Seite 2: Neues Geschäft

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Dennoch geht Kolyma 2 kommende Woche wieder online – mit einem neuen Konzept. So wollen die drei Mitgründer sich zuerst auf einen etwas lukrativeren Markt konzentrieren, um ein gesundes Fundament zu schaffen. Statt ein oder zwei Mahlzeiten an Privathaushalte zu liefern, wollen sich die Lieferfahrer zunächst die Firmen in der Nachbarschaft als Kunden gewinnen. Die können per Sammelauftrag ihr Essen zur Mittagspause bestellen und bekommen es dann per Kurier geliefert.

Der Mindestbestellwert steigt: Statt 20 Euro sollen es um die 60 Euro sein. Und die Bestellungen sollen mit deutlich mehr Vorlauf eingehen, damit die Fahrer die Arbeit besser einteilen können. Mitgründerin Shelly sagt: "Wir sind derzeit drei Leute mit 15 Fahrrädern und einem Lastenfahrrad." Doch zum Liefergeschäft gehört deutlich mehr. So haben sich die Gründer in den vergangenen Monaten umgesehen, wie sie das Geschäft technisch auf neue Beine stellen können. Der Ansatz, sich einfach per Messenger-Gruppen und Slack zu vernetzen, konnte nicht alle wichtigen Aspekte des Geschäfts abdecken.

Sie schauten sich die Software Coopcycle an, die schon von Kurieren in Frankreich, Belgien, Spanien und auch in einigen deutschen Städten genutzt wird. Problem jedoch: Die Software sieht bisher nur die Zahlung per Kreditkarte vor, doch das Essensgeschäft in Berlin läuft über PayPal und Bargeld. Derzeit sucht das "Pop-Up-Kollektiv" Alternativen, will zunächst wieder mit einem weitgehend manuellen System starten.

Hatten sich die Gründer zunächst Hoffnung darauf gemacht, auch eine Förderung von der Stadt Berlin zu bekommen, haben sie sich nun für das Genossenschaftsmodell entschieden. Sie schlüpften organisatorisch bei der Smart Genossenschaft unter, die inzwischen Selbständigen in neun europäischen Ländern einen organisatorischen Hintergrund zur Verfügung stellt.

"Die Genossenschaft übernimmt die Rolle des Arbeitgebers", sagt Magdalena Ziomek, Geschäftsführerin der Smart Genossenschaft in Berlin. Das heißt: Statt völlig auf eigene Faust zu arbeiten, können sich die Essenskuriere nun über die gesetzlichen Sozialversicherungen absichern. Gleichzeitig tritt die Genossenschaft auch ein, wenn Kunden plötzlich die Zahlung verweigern.

Prinzipiell steht die Genossenschaft für viele Selbstständige offen. "Es gelten dabei einige Grundprinzipien: Wir fördern keine Scheinselbständigkeit und wir sind keine Zeit- und Leiharbeitsfirma", erklärt Ziomek im Gespräch mit heise online. Als Bonus könne die Genossenschaft aber eine Gemeinschaft bieten, bei der sich einzelne Mitglieder gegenseitig Aufträge verschaffen und auf Projektbasis zusammenarbeiten können. Oder sich bei der Mittagspause sehen. "In unseren Büros nutzen wir bereits den Lieferdienst von Kolyma 2", sagt Ziomek. (anw)