Linke fordern "Fair Work"-Siegel für Medienprodukte

Die Oppositionspartei hat jetzt ihr am Sonntag beschlossenes Wahlprogramm veröffentlicht, mit dem sie gute Arbeitsbedingungen für Medien- und Filmschaffende erreichen und die Überwachungsgesellschaft bekämpfen will.

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Die Linke hat nach längerem Korrekturlesen und Einbau der vielen am vergangenen Sonntag auf dem Bundesparteitag beschlossenen Änderungen jetzt ihr Wahlprogramm für den Herbst veröffentlicht. Die Oppositionspartei begibt sich damit auf einen Grat zwischen der Regulierung der Medienlandschaft und der Bewahrung von Grundfreiheiten und Bürgerrechten in der digitalen Gesellschaft. So macht sich der Fahrplan für die nächste Legislaturperiode etwa für die Einführung eines "Fair Work"-Siegels auf "Spiele, Programme, Plattformen und Online-Angebote" stark, um "gute Arbeitsbedingungen für Medien- und Filmschaffende" zu ermöglichen. Aber auch die Kommunikations- und Medienfreiheit soll gewährleistet werden.

Die Linken betrachten die neue Medienwelt aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. "Die privaten und weltweit tätigen Telekommunikations- und Netzbetreiber mausern sich ohne kulturellen Auftrag, ohne öffentliche Kontrolle und Transparenz zu Sendeanstalten von morgen und bedrohen das gesamte duale, öffentlich-rechtliche und private Fernseh- und Rundfunksystem", sorgen sie sich in dem Programm. Mit der Digitalisierung entstünden auch neue Möglichkeiten, das Verhalten der Nutzer "zu steuern und auszubeuten". Die technische Beschränkung eines freien und gleichen Informationsflusses im Netz nehme zu.

Die Oppositionspartei plädiert daher für eine "demokratische Medienordnung, die die digitale Wissensverarbeitung wieder öffentlicher Regulierung unterstellt". Es gehe um nicht weniger, als die Programm- und Inhaltsvielfalt zu schützen, die Freiheit im Internet zu erhalten und auszubauen sowie die menschliche Kreativität gegen fortschreitende Kommerzialisierung zu verteidigen. Nutzerrechte im Internet müssten in einem "modernen Urheberrecht" verankert werden: Die Möglichkeit zum Anfertigen von Privatkopien und Kopien für Bildungs- und Forschungszwecke sollten so langfristig sicherstellt werden. Um die Freiheit im Netz zu erhalten, seien "Internetsperren zu verhindern". Das Prinzip der Netzneutralität müsse "technologisch zeitgemäß" bewahrt werden.

Weiter wollen die Linken "uneingeschränkte Publizierungsrechte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet gewährleisten" und "presserechtliche Redaktionsstatute" verankern, die einen hohen Grad der Mitbestimmung der Beschäftigten sichern. Im Namen der öffentlichen Daseinsvorsorge sollen Breitband-Internetanschlüsse in den gesetzlichen Universaldienst aufgenommen und Versorgungslücken in den ländlichen Regionen umgehend geschlossen werden. Den "Ausschluss sozial Benachteiligter aus der digitalen Kommunikation" will die Partei beenden, alle Informations- und Medienangebote barrierefrei gestaltet und den Bürgerfunk in den Ländern ausgebaut wissen. Der öffentliche Sektor soll bürgerfreundlich modernisiert werden. Dabei wollen die Linken "elektronische Informationssysteme von Software-Monopolisten unabhängig machen".

Das Wahlprogramm spricht sich ferner gegen den "Marsch in den allumfassenden Überwachungsstaat" aus. Die Linke "bekämpft eine konservative Sicherheitspolitik, die einseitig die Polizei aufrüstet und immer neue Strafvorschriften schafft". Das Vorgehen gegen Terrorismus und Kriminalität verfehle sein Ziel, wenn es sich im Namen der "Inneren Sicherheit" über Verfassungsgrundsätze und Bürgerrechte hinwegsetze. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger sei dagegen zu verteidigen. Konkret will die Partei die Vorratsdatenspeicherung beenden, auf heimliche Online-Durchsuchungen und Zensurmaßnahmen im Internet verzichten sowie verdeckte Ermittlungsmethoden wie Video-, Späh- und Lauschangriffe und Rasterfahndung abbauen. Der Ausbau des Bundeskriminalamtes zu einer zentralisierten Polizei sei genauso zu stoppen wie die Vermischung von Aufgaben von Strafverfolgern und Staatsschützern. Perspektivisch sollen "alle Geheimdienste" abgeschafft werden.

Das Datenschutzrecht wollen die Linken modernisieren und begonnene Großprojekte von der elektronischen Gesundheitskarte über biometrische Ausweise bis zu elektronischen Identitätskarten und einheitlicher Steuernummer überprüfen und nach strengen datenschutzrechtlichen Kriterien korrigieren. Weiter versprechen sie einen "wirksamen Arbeitnehmerdatenschutz", ein "umfassendes Akteneinsichtsrecht" und Verbandsklage für Datenschützer einführen. Parallel sollen die Verbraucherrechte gestärkt und ein "vorsorgender Verbraucherschutz" verankert werden. Die Rechtswirksamkeit telefonisch vereinbarter Verträge will die Partei so etwa an eine schriftliche Bestätigung binden.

Generell plädiert das Programm "für einen Neuanfang". Die Interessen der Beschäftigten und der großen Mehrheit der Gesellschaft seien in einer anderen Wirtschaftsordnung besser aufgehoben, "die den Kapitalismus schrittweise überwindet". Wirtschaftsinteressen und Politik müssten klar getrennt werden, machen sich die Linken etwa für "ein verbindliches und transparentes Lobbyregister" stark. Lobbyisten dürften in Bundesministerien nicht beschäftig werden, ihre Mitwirkung an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen sei erkennbar zu machen. Öffentliche Informationen seien kostenfrei zugänglich zu machen.

Zu den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl im September 2009 siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)