Linux-Distributionen: SUSEs Red-Hat-Klon – ein Kuckucksei

SUSE legt sich mit dem RHEL-Fork ein Kuckucksei ins Nest. Davon ist unser Kommentator überzeugt, der die SUSE-Distribution seit Jahrzehnten nutzt.

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(Bild: Thameur Dahmani, Pexels.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Anonymous Geeko

Eine 10-Millionen-Investition in SUSE – das entspricht rund 50 bis 100 Entwicklerjahren. Es scheint also, dass SUSE endlich wieder Gas gibt. Doch der Blick in die Pressemitteilung lässt Böses ahnen: Das Geld soll "Innovationen und SUSE Linux Enterprise (SLE) und verbundene Projekte" dadurch stärken, per Fork eine zu Red Hat Enterprise Linux (RHEL) kompatible Distribution zu erstellen.

SUSE bietet schon seit längerem Support für RHEL- und CentOS-basierte Systeme an. Zuerst als Expanded Support und seit Anfang 2022 als SUSE Liberty Linux, mit dem man Kunden von Red Hat abwerben möchte. Enterprise-Kunden brauchen aber vor allem Support für die Anwendungen und den gibt es in der Regel nur für RHEL. Wahrscheinlich wollen zu wenige Partner zusätzlich zu RHEL, SLES oder Ubuntu eine weitere Distribution (als solche würde SUSE-RHEL angesehen) testen, freigeben und unterstützen – sonst würde SUSE diese wohl auflisten.

Kann eine separate und eigene RHEL-Distribution SUSE helfen, mehr zahlende Kunden von Red Hat zu SUSE zu holen? Wohl kaum. Solange der Rabatt nicht zu groß ausfällt, nehmen die doch lieber das Original – und eine Rabattschlacht können weder Red Hat noch SUSE wollen.

Kommen wir zum nächsten Punkt – mehr Auswahl. Früher war CentOS eine kostenlose RHEL-Alternative, gerne für nicht kritische Systeme benutzt. Mit der Ankündigung von CentOS Stream war klar, dass das nicht mehr funktionieren würde. Daraufhin gab es verschiedene Forks, die derzeit wichtigsten sind Rocky Linux und AlmaLinux. Für beide gibt es auch kommerziellen Support von CIQ oder TuxCare.

Ein weiterer Fork durch SUSE hätte also zunächst das Potenzial, die Communitys von Rocky Linux und AlmaLinux aufzumischen. Sicherlich ein Gewinn für Red Hat – für SUSE, den Verursacher, aber wohl kaum? SUSE würde erst dann gewinnen, wenn es auch kommerziellen Support dafür anbietet. Wobei man das ja bereits tut – ohne eigene Distribution und mit wahrscheinlich zu wenig Anwendungssupport. Siehe oben.

Warum hat SUSE nicht einfach eine der bestehenden Alternativen unterstützt? CIQ wäre ein potenzieller Partner für Rocky Linux gewesen, die AlmaLinux Foundation als amerikanische 501(c)-Organisation sogar ein noch besserer, zumindest aus Community-Sicht.

Auswahl ist an sich gut, aber wenn sie keine Unterschiede bietet? Und wo Auswahl schon gegeben ist, wäre es nicht viel besser, Geld in Verbesserungen zu stecken, statt in mehr vom Gleichen? Noch dazu sind Forks Abspaltungen, die häufig mit der Zeit vom Original divergieren. Wenn Rocky Linux, AlmaLinux und SLES-RHEL dann auseinanderdriften, wem ist damit gedient? Eine Zersplitterung hat Open Source noch nie geholfen. Aber wer weiß, vielleicht ist SUSEs Strategie ja, das rote Lager so sehr zu zersplittern, dass das grüne Lager gewinnt? Wenn SUSE dann da mal nicht die Rechnung ohne das Ubuntu-Lager gemacht hat.

Die Presseerklärung spricht davon, Enterprise Linux brauche mehr Standardisierung. SUSE hatte schon einmal den Mut, ein United Linux anzuschieben. Diese gemeinsame Linux-Distribution von SCO (vormals Caldera), Conectiva, SUSE und Turbolinux hatte keinen Erfolg. Denn leider fehlten Mandrakesoft und Red Hat. United Linux ist Geschichte und Red Hat kann als Sieger gesehen werden. Wer glaubt also, dass es diesmal gelingt? Zumal Red Hat wieder nicht dabei ist.

Letztlich dürfte es Red Hat helfen, RHEL würde als de-facto-Standard gewinnen. Red Hat hätte also Interesse daran, aber SUSE? Am Ende wissen wir vielleicht nur nicht, wo der eigentliche Gewinn für SUSE liegt. Ein Riesengewinn wäre für SUSE, gäbe es einen großen finanzkräftigen Partner, der ein von SUSE bedientes Enterprise Linux als exklusive Plattform einsetzen will. Doch dann hätte sich der Partner aus welchen Gründen auch immer für einen RHEL-Fork entschieden. Was nicht das beste Licht auf SLES würfe. Apropos: Auch die Börse scheint von der Idee nichts zu halten, wie man am Aktienkurs sieht.

„SUSE remains fully committed to […] openSUSE […]“ steht in der Pressemitteilung. Was hätte mit dem Geld tolles gemacht werden können: SUSEs neue Adaptable Linux Platform (ALP) beschleunigen, SLES entschlacken, allgemein schlanker werden. Oder sogar Distribution neu denken. Das würde Linux nach vorn bringen. Linux braucht Fortschritt, nicht mehr Auswahl zwischen gleichen Systemen.

Nun hat SUSE aber seine Wahl getroffen, jetzt ist es an den Anwendern, Kunden und der Community, daraus Schlüsse zu ziehen. Das Unternehmen täte gut daran, klar aufzuzeigen, dass es auch weiterhin Interesse an SLES und an openSUSE hat. Sonst wird der Markt schnell scheu. Das wäre schade für SUSE.

Have a lot of fun & sincerly yours,

your friendly Anonymous Geeko – ein immer noch aktiver Linux-Veteran der ersten Stunde

(avr)