MIX: Microsoft verspricht neue Software-Architektur
Chief Software Architect Ray Ozzie skizzierte auf der Mix-Konferenz in Las Vegas den geplanten Umbau von Microsofts Software-Portfolio.
Ray Ozzie, Bill Gates' Nachfolger in der Rolle des Ober-Architekten, lieferte den Auftakt zu Microsofts Mix-Konferenz in Las Vegas. Online-Werbung werde die Schlüsselrolle in Microsofts Web-Strategie spielen, sagte Ozzie. Der Chief Software Architect schloss bezahlte Abonnements für spezielle Software-Dienste nicht aus – primär werde der Software-Hersteller seine Web-Investitionen jedoch über Anzeigen amortisieren. "Damit wird auch deutlich, warum wir so an den kreativen Kräften und den Angeboten von Yahoo interessiert sind." Mehr wollte Ozzie zum Übernahme-Hickhack um den Such- und Mediendienstleister nicht sagen.
Von Konzernchef Steve Ballmer, der am Donnerstag vor dem Mix-Publikum spricht, werden dazu deutlichere Worte erwartet, speziell nachdem Yahoo eine ungewollte Akquisition durch eine Umbesetzung des Aufsichtsrats erschweren will. Die Nummer 2 im Online-Werbemarkt soll auch Verhandlungen mit AOL, Disney und News Corp. über mögliche Beteiligungen führen, um Alternativen zu finden. Microsoft hatte Yahoo im Februar ein Übernahmeangebot von fast 45 Milliarden Dollar gemacht, das die Firma aber abgelehnt hat.
Ozzie skizzierte stattdessen den geplanten Umbau von Microsofts Software-Portfolio, um mehr Anwender für Windows Live und andere Dienste zu gewinnen. Die gesamte Programmpalette werde grundlegend umkonzipiert, um "ein symmetrisches Verhältnis zwischen lokal installierter Software, SaaS-Architekturen und Web-Diensten" zu erreichen. Windows Live Workspace, das netzbasierten Zugriff und Speicherung von Office-Dokumenten erlaubt, soll zur zentralen Drehscheibe für individuelle Anwender von Produktivitätsanwendungen werden. Für Firmenanwender hingegen soll dabei das Content-Management-System Sharepoint Server im Mittelpunkt stehen.
Seit Anfang der Woche bietet Microsoft eine Web-basierte Version von Sharepoint Server an, die nicht mehr auf firmeneigenen Servern installiert wird, sondern per Web bei Microsoft abgerufen wird. Gleichzeitig starteten solche Dienste auch für die Mail-Software Exchange Server und das Datenbanksystem SQL Server. Die Dienste sind als Beta-Versionen zunächst einem ausgewählten Anwenderkreis vorbehalten.
Höhepunkte der Mix-Keynote waren Demonstrationen von Silverlight 2 und Internet Explorer 8, die beide im öffentlichen Betatest allen Benutzern zum Download zur Verfügung stehen. Für beide stehen mit Expression Studio 2, Visual Studio 2008 sowie ASP.net MVC Preview auch neue Entwicklertools bereit.
Das Hauptaugenmerk bei IE 8 lag auf der Interoperabilität mit Firefox und Safari. Hier scheint Microsoft dem Augenschein nach ein notwendiges Stück Arbeit geleistet zu haben. Spezielle Funktionen zum Gruppieren und Markieren von verwandten Webseiten liefern interessante Möglichkeiten, einmal mit Bookmarks versehene Dokumente leicht wiederzufinden und Aktualisierungen von ganzen Gruppen mit einer Vorschaufunktion zu betrachten.
Bei Silverlight 2 beeindruckte eine Zoom-Funktion für animierte Web-Seiten und -Videos. Dem Web-Entwickler stehen dabei Werkzeuge zur Verfügung, mehrere Bilder zu eine Ansicht zu kombinieren, aus der Nutzer dann per Zoom Details sehr stark hervorheben können. Dazu kommt eine schnelle Rücklauf- und Replay-Funktion für Live-Videos, die am Beispiel des Olympia-Web-Angebots von TV-Sender NBC demonstriert wurde. Durch ein Verfahren namens "adaptive streaming" wird ein abgerufenes Video automatisch den Bedingungen der Netzverbindung und des Zielrechners angepasst. So soll jedem Anwender die "höchste darstellbare Abspielqualität" ermöglicht werden.
Silverlight steht ab sofort auch auf Mobil-Betriebssystemen zur Verfügung. Ein Nokia-Vertreter etwa zeigte Silverlight-Videos auf einem Symbian-Handy der S60-Reihe. Web-Entwickler können so mit der gleichen Programmierumgebung Angebote für PC- und Mobilsysteme erstellen. (Erich Bonnert) / (anw)