MWC-Absage: Massive Kritik an der GSMA

Seite 2: "Die Leute wären einfach nicht gekommen"

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Der MWC hat in Spanien nationale Bedeutung: König Felipe VI. und Ministerpräsident Pedro Sánchez lassen sich von GSMA-Generaldirektor Mats Granryd (r.) den MWC 2019 zeigen.

(Bild: heise online)

Trotzdem muss sich insbesondere Hoffman Vorwürfe anhören, die Krise schlecht gemanagt zu haben. Die GSMA betont, dass das Coronavirus verschiedene Konsequenzen für die Organisation der Messe hatte. "Allein das logistische Problem, diese 100.000 Leute aus aller Welt nach Barcelona zu schaffen", erklärte Hoffman. "Reiseverbindungen waren weltweit betroffen. Leute, die normalerweise auf die Messe kommen, konnten nicht anreisen." Und selbst wenn die es geschafft hätten, seien anschließend möglicherweise Quarantänemaßnahmen nötig, was sich insbesondere die vielen Führungskräfte zweimal überlegen. "Diese Leute sagen nicht ab, die kommen einfach nicht."

Die GSMA weist Kritik zurück, nicht genug über Alternativen einer Absage nachgedacht zu haben. "Wir haben überlegt, die Messe zu verschieben", sagte Hofmann. "Wir haben überlegt, ob wir den MWC auch in kleinerem Rahmen durchführen können. Das mag sich wie eine gute Idee anhören. Aber eine große Mehrheit derjenigen, die geplant hatten zu kommen, wären nicht da gewesen. Im Hinblick auf eine Verschiebung war es unmöglich zu sagen, wann sich die Situation verbessern würde."

Medienberichten zufolge hatte die GSMA bei den Behörden darauf gedrängt, eine medizinische Notlage zu erklären, damit die Versicherungen die Kosten übernehmen. Doch die Offiziellen sahen dazu keinen Anlass – auch wegen der bisher sehr niedrigen Fallzahlen in Spanien. Die Vizechefin der sozialistischen Zentralregierung Carmen Calvo meint, der MWC sei "nicht aus gesundheitlichen Gründen" abgesagt worden: "Es gibt andere Motive." Welche Motive das sein könnten, sagt die Politikerin nicht.

Darüber hinaus wird in spanischen Medien gemutmaßt, dass vielleicht der Handelskrieg zwischen China und den USA eine Rolle gespielt könnte. Solchen Spekulationen tritt die GSMA entschieden entgegen. "Das hat damit überhaupt nichts zu tun", sagte Granryds. "Hier geht es um Gesundheit und Sicherheit, um Reisemöglichkeiten und die Gefahr, geschäftskritische Ressourcen für 14 Tage in Quarantäne stecken zu müssen."

Der MWC ist die größte Fachmesse der Mobilfunkbranche. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Messe knapp 110.000 Besucher und 2400 Aussteller. Der Branchentreff geht auf die erstmals 1987 veranstaltete "Pan European Digital Conference" zurück. Nach verschiedenen Städten – darunter Rom und Berlin – und der Umbenennung in "GSM World Congress" zog die Veranstaltung 1996 nach Cannes, wo sie 2001 in "3GSM World Congress" umbenannt wurde. 2006 kam die Mobilfunkmesse in die katalanische Großstadt und hat sich dort als "Mobile World Congress" und inzwischen "MWC Barcelona" endgültig zur internationalen Leitmesse der Mobilfunkbranche entwickelt.

Auch die Stadt hat dafür viel getan. Nachdem es für den boomenden MWC auf dem alten und ziemlich abgerockten Messegelände in der Stadt zu eng wurde, hatte die GSMA die Messe 2010 neu ausgeschrieben. Mit einem Konzept, das um das neue Messegelände etwas außerhalb der Stadt gestrickt war, setzte sich Barcelona gegen Mitbewerber wie Köln und München durch. Der MWC Barcelona wird von den Besuchern auch wegen der kurzen Wege auf dem Messegelände und der guten Organisation geschätzt. Seit Februar 2016 verbindet eine neue U-Bahn-Linie das neue Messegelände mit dem Flughafen und der Innenstadt.

Nach der Absage ist das Verhältnis der GSMA zu Stadt und Regionalregierung angespannt. Zwar betonen alle, dass es nun darum gehe, den MWC 2021 wieder nach Barcelona zu bringen. Doch werden bis dahin noch einige Fragen und sicher etliche Rechtsstreitigkeiten geklärt werden müssen. Die GSMA und die Stadt haben noch einen Vertrag bis 2023. Eine Verlängerung wegen des Ausfalls um ein Jahr hat die GSMA bisher ausgeschlossen. Schon gibt erste Unkenrufe, dass mit der Absage der diesjährigen Messe die gemeinsame Geschichte von MWC und Barcelona zu Ende gehen könnte. (vbr)