Majorel wird verkauft: Bertelsmann steigt bei Callcentern aus

Ein französischer Callcenter-Riese will Majorel übernehmen. Das Unternehmen macht neben Kundendienst für Booking auch Content-Moderation für Meta und Co.

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Facebooks Löschzentrum in Berlin.

(Bild: dpa)

Lesezeit: 3 Min.

Bertelsmann trennt sich endgültig von seinem Callcenter-Geschäft. Das französische Unternehmen Teleperformance will den Customer-Service-Dienstleister Majorel übernehmen, vom dem Bertelsmann knapp 40 Prozent gehören. Bertelsmann werde das Angebot der Franzosen von 30 Euro pro Aktie annehmen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.

Auch die Saham Group nimmt das Angebot an und werde ihren Anteil an Teleperformance verkaufen, hieß es weiter. Insgesamt gehe es um einen Kaufpreis von rund drei Milliarden Euro. Davon will Teleperformance zwei Milliarden in bar und eine Milliarde mit eigenen Aktien begleichen. Dem Verkauf müssen die zuständigen Aufsichtsbehörden noch zustimmen.

Bertelsmann und die marokkanische Saham Group hatten 2018 beschlossen, ihre Callcenter zusammenzulegen, und überführten die Geschäftszweige 2019 in das Joint Venture Majorel. Dabei gingen auch die bei Arvato angesiedelte Content-Moderation für Social-Media-Plattformen wie Facebook zu Majorel über. Seit 2021 ist Majorel, das nach eigenen Angaben weltweit rund 82.000 Mitarbeiter hat, an der Börse.

"In den vier Jahren seit der Gründung hat sich allein der Umsatz von Majorel fast verdoppelt", erklärte Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe. Im Geschäftsjahr 2022 verzeichnete Majorel ein Umsatzwachstum von 16 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Majorel ist in 45 Ländern der Erde und 70 Sprachen für rund 500 Kunden aktiv.

Der weltweite Markt der Callcenter-Anbieter konsolidiere sich stark, erklärte ein Bertelsmann-Sprecher zu den Gründen des Verkaufs. Weltweit sei bei der Auftragsvergabe die Größe der Unternehmen für die Kunden entscheidend. Teleperformance hat über 400.000 Mitarbeiter.

Majorel betreibt zahlreiche Callcenter, die neben Kundenservice – etwa für Booking.com – auch Content-Moderation für große Social-Media-Plattformen wie Facebook oder TikTok übernehmen. Diese Moderatoren sehen sich täglich im Akkord teilweise sehr belastendes Material an und müssen entscheiden, wie im Rahmen der jeweiligen Nutzungsbedingungen damit zu verfahren ist.

Diese teils traumatisierende Arbeit hat auch in Deutschland schon die Gewerkschaften auf den Plan gerufen. Mitarbeiter am ehemaligen Arvato-Standort Berlin seien "prekär" beschäftigt gewesen, hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert. Arbeitsverträge würden meist auf ein Jahr befristet und danach zweimal um ein halbes Jahr verlängert. Facebook habe außerdem in mehreren Fällen überraschend Aufgaben eingestellt oder zu anderen Dienstleistern verlagert.

Majorel ist derzeit in Kenia in einen Rechtsstreit verstrickt, in dem es auch um Arbeitsbedingungen geht. US-Anbieter Sama, der in lokalen Callcentern für Meta die Content-Moderation durchführte, war von ehemaligen Mitarbeitern verklagt worden. Die Vorwürfe lauten auf Ausbeutung, Behinderung der gewerkschaftlichen Organisation und der Vorspiegelung falscher Tatsachen bei der Einstellung.

Nachdem das Time-Magazin über die Zustände berichtet hatte, zog sich Sama dort aus der Content-Moderation zurück. Meta wollte die Aufgaben dann eigentlich an Majorel übergeben, stattdessen müssen sich nun beide vor Gericht verantworten. Zuletzt ordnete das Gericht in Nairobi an, dass Meta die Geschäftsbeziehungen zu Sama und Majorel vorübergehend ruhen lassen müsse.

Sama, das sich selbst als von ethischen Prinzipien getriebenes Unternehmen versteht, war auch am Training von OpenAIs Chatbot ChatGPT beteiligt. Laut Recherchen des Time Magazine waren schlecht bezahlte Clickworker in Kenia für Sama im Einsatz, um die Trainingsdaten für ChatGPT von digitalem Unrat zu reinigen.

(vbr)