Maschinelle Kriegführung: Vom Drohnenschwarm zum Hyperwar

Seite 2: Eindämmung autonomer Waffensysteme

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"Der Bundestag sollte die Diskussion in politische Entscheidungen münden lassen", forderte auch Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München. Laut dem Experten für internationale Sicherheitspolitik seien AWS aber kein bestimmter Typus und keine Kategorie, "die wir zählen, limitieren oder verbieten können". Es gebe nicht den einen Killer-Roboter, sondern ein "System of Systems". Letztlich bildeten die gesamten Streitkräfte ein AWS, das verteilt operiere und in dem sich "Autonomie im Zweifel per Checkbox aktivieren" lasse.

Andererseits steht für den Forschungsleiter beim Metis-Institut für Strategie und Vorausschau fest: "Wir dürfen Menschen nicht zu Datenpunkten, zu Objekten degradieren", die maschinell ausgelöscht würden. Es gehe also darum qualitativ bestimmen, wie die Interaktion etwa mit Raketen und Drohnen so zu gestalten sei, dass die menschliche Kontrolle gewahrt bleibe. Dabei sei es nicht nötig, sich "in technischen Details wie Nanosekunden" zu verlieren. Differenziert beantwortet werden müsse allein, "wer oder was entscheidet wann was".

Deutschland und Europa sollten in diesem Regulierungsbereich "aktiv vorangehen", betonte Sauer: "Wir binden uns damit nicht die Hand auf den Rücken, denn noch haben uns Killer-Roboter nicht umzingelt." Es sei noch möglich, Standards zu setzen "für einen verantwortungsvollen Umgang mit Technologie im Einklang mit unseren Interessen und dem Völkerrecht". Rüstungskontrolle in diesem Sinne sei Realpolitik: "Sie dient der nationalen Sicherheit, nicht dem Sammeln von Karmapunkten."

Am Konzept der "Meaningful Human Control", wonach der Mensch letztlich wohlinformiert entscheiden und den Knopf drücken solle, entzünde sich aber innerhalb der Nato gerade der Streit, führte Flemisch aus. Die US-Doktrin stelle demgegenüber nur auf einen angemessenen Einbezug des menschlichen Urteils ab. Die Amerikaner wollten Systeme etwa vorher dazu autorisieren, in bestimmten Gebieten unter Vorgaben autonom zu kämpfen. Allenfalls Zulassungsprobleme stünden dem entgegen. In der Nato, die von Einstimmigkeit lebe, werde man so wohl nur bei einem vergleichsweise weichen Korrektiv landen, das aber zumindest strenger ausgelegt werden könne: "Je beherzter wir agieren, desto besser ist es."

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Einen Hoffnungsschimmer machte Anja Dahlmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bei den Genfer Gesprächen zur Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) aus. Laut einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag schließt sich zwar auch auf dieser Verhandlungsebene das Zeitfester, um AWS noch einhegen zu können. Zu den Zwischenergebnissen gehört laut Dahlmann aber zumindest, dass eine wie auch immer geartete Mensch-Maschine-Interaktion als Voraussetzung angesehen werde, um bei AWS das humanitäre Völkerrecht einzuhalten.

Die Staatengemeinschaft, die auch bei der CCW-Runde im Konsensprinzip entscheide, strebe zudem ein "operatives und normatives Rahmenwerk" für letale autonome Waffensysteme an, erläuterte Dahlmann. Es liege zwar kein Vertragstext auf dem Tisch und die Gespräche seien wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Doch auch so könnte die Debatte schon "große normative Wirkung entfalten". Ein mögliches Verbot zu kontrollieren, wäre zwar schwierig. Bei anderen CCW-Kategorien gebe es aber auch keine Verifikation, dort funktioniere das Berichtswesen.

Um das vereinbarte Rahmenwerk zeitnah auf die Beine zu stellen, werde man auch Foren am Rande der CCW-Gespräche nutzen, versprach ein Rüstungskontrollexperte des Auswärtigen Amts. Mit neun gleichgesinnten Staaten habe die Bundesregierung dazu etwa bereits einen Kommentar eingereicht und werde auch im Rahmen einer einschlägigen virtuellen Konferenz in dieser Woche für das Anliegen trommeln. Von den teilnehmenden Abgeordneten hielten es nur Vertreter von CDU/CSU und AfD für nötig, die AWS-Forschung weiter zu betreiben: Man müsse das Verfahren technologisch beherrschen, um das Heft in der Hand zu behalten.

(olb)