Massive Kritik an Schließung des Bochumer Nokia-Werks

Politiker und Branchenkenner kritisieren die Entscheidung des finnischen Handyherstellers, das Werk in Bochum zu schließen.

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  • dpa

Mit massiver Kritik am finnischen Handykonzern Nokia haben nordrhein-westfälische Landespolitiker, Gewerkschaften und Experten auf die geplante Schließung des Werks in Bochum reagiert. Die Ansiedlung von Nokia in Bochum sei mit viel öffentlichen Geldern gefördert worden, teilten Wirtschaftsministerin Christa Thoben und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) am heutigen Dienstag in Düsseldorf mit. Es könne nicht sein, dass der Standort Bochum jetzt zugunsten anderer mit EU-Geldern geförderter Standorte in Europa aufgegeben werde, sagten beide Minister laut Mitteilung.

Laut Thoben setzt Nokia derzeit EU-Mittel für den Aufbau eines neuen Standortes in Rumänien ein. "Auch hier stellen sich Fragen. Dabei erwarten wir auch die Unterstützung durch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos", forderte Thoben.

Baldmöglichst solle es ein Gespräch zwischen der Landesregierung und dem Nokia-Betriebsrat in Bochum geben, teilte ein Regierungssprecher mit. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) habe dem Betriebsrat zugesagt, dass die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles unternehmen werde, um zu helfen.

"Unser Ziel ist es, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten beziehungsweise Ersatzarbeitsplätze zu schaffen", teilten Thoben und Laumann weiter mit. Den von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern müssten durch gezielte Weiterqualifikation neue Perspektiven geboten werden. Zunächst müsse sich aber Nokia seiner Verantwortung stellen und möglichst viele Arbeitsplätze in Bochum erhalten. Die wirtschaftliche Situation sei gut, so dass sich das Unternehmen der Verantwortung für seine Mitarbeiter auch stellen könne, forderten die beiden Minister.

Auch der Fraktionsvize der CDU-Landtagsfraktion, Christian Weisbrich, wies auf die in den Bochumer Standort geflossenen öffentlichen Fördergelder hin. "Wenn es zutreffend ist, dass gleichzeitig weitere öffentliche Mittel zur Verlagerung des Standorts gezahlt werden, so ist dies völlig inakzeptabel."

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke bezeichnete die Schließungspläne als "traurige Nachricht für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien". Allerdings entwickele sich das Ruhrgebiet zu einer dynamischen Wachstumsregion. Deshalb müsse es darum gehen, möglichst viele der betroffenen Nokia-Mitarbeiter mit gezielter Vermittlung und Umschulung schnell in neue Jobs zu bringen.

Dagegen droht Bochum und dem Ruhrgebiet aus Sicht der Grünen eine arbeitsmarktpolitische Katastrophe. "Die Schließungspläne von Nokia für den Standort Bochum sind ein Frontalangriff eines international operierenden Unternehmens auf die Menschen in Bochum und im Ruhrgebiet", teilte Grünen-Landeschefin Daniela Schneckenburger mit. Der Schritt sei auch Ausdruck von Verantwortungslosigkeit gegenüber einer Stadt, die erhebliche Investitionen geleistet habe, um die Ansiedlungsfläche für Nokia herzurichten.

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft bezeichnete die geplante Schließung als schwarzen Tag für Nordrhein-Westfalen. Die Beschäftigten seien trotz ihrer hervorragenden Arbeit und ihres Einsatzes Opfer einer globalen Unternehmensstrategie geworden. "Dieser Rückschlag macht deutlich, wie zerbrechlich die wirtschaftliche Erholung in NRW ist", sagte Kraft laut Pressemitteilung.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat von Nokia die Rücknahme der Schließungspläne in Bochum gefordert. "Das hochmoderne Werk in Bochum ist leistungs- und umsatzstark. Ich kann keinen Grund erkennen, warum die Jobs von mehr als 3000 Menschen aufs Spiel gesetzt werden sollen", sagte am Dienstag der NRW-Vorsitzende Guntram Schneider laut einer Mitteilung. Er sicherte den Beschäftigten die volle Unterstützung der DGB-Gewerkschaften zu, damit ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Schneider forderte die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass der Nokia-Standort in Bochum nicht aufgegeben werde. "Gestern noch hat das Wirtschaftsministerium den wirtschaftlichen Aufschwung in NRW gefeiert. Heute muss die Landesregierung alles dafür tun, damit sich das Schicksal von Kamp- Lintfort nicht in Bochum wiederholt", sagte Schneider.

Der IG Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard sprach von einer "bodenlosen Sauerei" und warf dem Management "Gewinnsucht zu Lasten der Menschen" vor. Die Ankündigung sei ein Schlag ins Gesicht der Menschen, sagte der Gewerkschafter. Burkhard kündigte Widerstand gegen die Nokia-Pläne an.

Enttäuscht zeigte sich auch der Branchenverband Bitkom: "Es ist bedauerlich, dass mit Nokia nun auch der weltweit führende Handyhersteller seine deutsche Produktionsstätte schließt. Damit ist die Handyproduktion in Deutschland so gut wie tot", erklärte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer in Berlin.

Die Schließung des Nokia-Standortes Bochum aus Kostengründen ist für den Telekommunikationsexperten Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen unglaubwürdig. "Mobiltelefone werden hochautomatisiert gefertigt. Das Kostenargument ist damit vorgeschoben", sagte Gerpott der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (Mittwochausgabe) in Essen.

Zur Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch:

(dpa) / (vbr)