Medica: Megatrend Ambient Assisted Living

Neben dem Anstoss zur Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) stand auf der Medica in IT-technischer Sicht das Ambient Assisted Living (AAL) im Vordergrund, das auf einer Podiumsdiskussion als "computergestütztes Altern" übersetzt wurde.

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Von
  • Detlef Borchers

137.000 Fachbesucher kamen 2007 auf die Medica und mit der gleichen Besucherzahl schloß gestern abend die 40. Ausgabe der größten Medizinmesse ihre Drehkreuze. Neben dem Anstoss zur Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) stand in IT-technischer Sicht das Ambient Assisted Living (AAL) im Vordergrund, das auf einer Podiumsdiskussion als "computergestütztes Altern" übersetzt wurde.

Mit der Bekanntgabe der Eckdaten und Kostenpauschalen zum Basis-Rollout von eGK-Lesegeräten in der Region Nordrhein setzte die Medica ein deutliches Zeichen, dass es mit der elektronischen Gesundheitskarte voran gehen soll. Zwar gibt es deutliche Zeichen, dass die Ärzte die Technologie ablehnen. So wollen nach dem Stadtstaat Hamburg auch die Hausärzte im Stadtstaat Bremen die Anschaffung der Lesegeräte boykottieren. Auf der anderen Seite verbuchten alle Hersteller entsprechender Geräte auf der Medica ein reges Interesse von Ärzten an der Technik. Dabei erkundigten sich die Ärzte nicht nur nach den Geräten, sondern nach nützlichen Anwendungen wie dem Erstellen und Versenden von verschlüsselten und signierten Arztbriefen via E-Mail. Hier tun sich für den Arzt neue Möglichkeiten auf, die freilich nicht kostenlos sind: neben den monatlichen Kosten für den elektronischen Heilberufsausweis mit seiner digitalen Signatur kommt beispielsweise die Signaturfähigkeit des Arztbriefes mit SignCubes von Openlimit auf rund 90 Euro im Jahr. Solche Kosten können durch die Einsparungen schnell eingefahren werden, wenn Befunde und Labordaten aus anderen Arztbriefen automatisch XML-gesteuert in die eigene Praxissoftware laufen. Hinter dem Wenn steht freilich ein großes Fragezeichen: zwischen kardiologischen und internistischen Arztbriefen liegen Welten wie zwischen Spanisch und Russisch.

Wer nicht als Arzt die Medica mit einem Blick auf die IT besuchte, befand sich auf einer internationalen Fachmesse für das Leben im Alter. Systeme wie die Motiva-Überwachung, die T-Systems von der T-City Friedrichshafen inszwischen auf das Umland ausdehnt oder die Nutzung von iPhones durch Diabetiker stehen für einen erweiterten IT-Begriff. Weil Industrieländer wie Deutschland einen grundlegenden demographischen Wandel durchmachen, muss die Medizintechnik und besonders die IT den neuen Alten helfen, den Alltag zu bewältigen. Das IT-gesteuerte Zusammenspiel von Monitoren, Sensoren und Aktoren nennt sich Ambient Assisted Living. Zielgruppe ist die Generation der heute 50-60-Jährigen, die ein Smartphone bedienen können und für die Bluetooth wie WLAN keine Fremdwörter sind. Bis zu 70 Prozent dieser technikaffinen Jahrgänge sollen im Alter von Gerätschaften überwacht, die via Smartphone wiederum mit Telemonitoring-Centern in Verbindung stehen.

Der "zweite Aufbruch", den Trendforscher wie Matthias Horx im Alter von 55 Jahren als Gegenstück zur "Midlife Crisis" propagieren, fußt auf der Rundumüberwachung, die Herzstörungen wie Stürze oder aber kleine Abweichungen vom täglichen Alltagsrythmus melden. "Wenn jemand üblicherweise zwischen sieben und acht Uhr aufsteht und ins Badezimmer geht, wird ein Alarm gesetzt, wenn um neun Uhr weder Klospülung noch Kaffeemaschine aktiviert wurden, erklärte Birgit Eberhardt vom VDE, der eine eigene AAL-Abteilung unterhält, in einer AAL-Diskussionsrunde auf der Messe. Gerade ältere Menschen nehmen diese Überwachung nicht als Problem,sondern als Hilfe wahr. Eva Schulz vom Berliner Institut für Sozialforschung stellte auf der Medica die Ergebnisse einer Befragung älterer Menschen mit Gesundheitsproblemen vor. Ein Viertel der Befragten erkannte zwar Einschränkungen der Privatsphäre, erklärten das aber wie der Rest der Befragten für unproblematisch: "Ich habe nichts zu verbergen." (Detlef Borchers)/ (axv)