Menschen ohne Geruchssinn atmen anders
Im Zuge der Corona-Pandemie kam es häufiger auch zu Geruchsverlust. Eine israelische Studie legt nun nahe, dass das auch Auswirkungen auf die Atmung hat.
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Drei Nasen: Darüber gibt's Luft – und Geruch.
(Bild: Daniela Pelazza/Shutterstock.com)
Zu den unangenehmen Auswirkungen einer Infektion mit COVID-19 gehörte bei einzelnen Betroffenen auch, dass sie ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren haben. Oftmals kehrte dieser zwar nach der Ausheilung der Erkrankung wieder zurück, manchmal verschwand er aber ganz. Der Leidensweg dieser Menschen führte schon in der Pandemie dazu, dass Forscher darüber nachdachten, sogenannte Riechimplantate zu entwickeln. Dabei erkennt ein elektronischer Sensor Gerüche, kodiert sie in einen elektrischen Output und überträgt diesen an einen Transmitter, der wiederum an ein Implantat an den Riechzellen weitersendet. Schließlich werden dort elektrische Reize ausgelöst, um Riechempfindungen zu stimulieren. Wie sich nun aber zeigt, führt ein fehlender Geruchs- und Geschmackssinn nicht nur zu einer eingeschränkten Lebensqualität. Er hat auch Auswirkungen auf andere physiologische Abläufe, wie eine israelische Forschergruppe nun dargelegt hat. Ohne Riechfähigkeit ändert sich nämlich auch die Art, wie wir atmen, was wiederum weitere negative Konsequenzen auf die Gesundheit haben kann.
Das Schnüffeln beim Atmen fällt ersatzlos weg
Das in Nature Communications veröffentlichte Paper von Lior Gorodisky, Noam Sobel und Kollegen am Weizmann Institute of Science untersuchte dazu eine Gruppe aus insgesamt 52 Probanden. Von diesen konnten 21 normal riechen und 31 nicht (mehr) – sie litten unter der sogenannten Anosmie, eines dauerhaften oder temporären Verlusts des Geruchssinns. Innerhalb einer 24-stündigen Periode trugen alle Teilnehmer ein Gerät, das den Luftdurchsatz an der Nase überwachte. Zwar atmeten alle Probanden ungefähr gleich viel. Diejenigen, die riechen konnten, zeigten aber innerhalb jedes Atemzugs zusätzliche Peaks, während mehr Luft in die Nase strömte. Das geschah ungefähr 240 Mal pro Stunde. Interessanterweise kam es nicht zu diesen Atemspitzen, wenn sich die Riechenden in einem gänzlich geruchslosen Raum befanden. Offenbar haben die Peaks also mit dem Geruchssinn zu tun. Diejenigen, die nicht riechen konnten, ließen dies weg und hatten insgesamt Verschiebungen in ihrem Atemmuster, egal ob sie schliefen oder wach waren.
Gefährlich für den Körper scheint das fehlende Schnüffeln während der Atemzüge nicht zu sein. Es kommt also nicht etwa zu einer geringeren Sauerstoffversorgung. Allerdings hat es wohl negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und womöglich die geistige Gesundheit. So ist bekannt, dass Menschen ohne Geruchssinn häufiger mit Depressionen, Einsamkeit und Gefühlsarmut (oder verlangsamten emotionalen Reaktionen) zu kämpfen haben. Hinzu kommt ein größeres Risiko für Angststörungen. Wer an Anosmie leidet, so zumindest einzelne Studien, könnte zudem eine geringere Lebenserwartung haben – wohl auch wegen besagter psychischer Auswirkungen. Interessanterweise war es umgekehrt auch möglich, aus dem Atemmuster mit ordentlicher Genauigkeit von immerhin 83 Prozent zu bestimmen, ob es sich um eine Person mit oder ohne Geruchssinn handelt – dazu werden keine Geruchsproben benötigt. Das könnte bei der Diagnostik helfen, weil man sich dann nicht mehr nur auf Selbstaussagen der Patienten verlassen muss.
Atemluftstrom als Indikator fĂĽr Gesundheit
Hinzu kommt, dass auch die Art, wie wir atmen, Einflüsse auf die Gefühlswelt hat. "Die Muster des Atemluftstroms haben einen starken Einfluss auf Gesundheit, Emotionen und Kognition. Wir legen daher nahe, dass ein Teil der schädlichen Folgen im Zusammenhang mit Anosmie eher auf veränderte Muster des Atemluftstroms durch die Nase zurückzuführen ist als auf eine direkte Folge des Verlusts der Geruchswahrnehmung an sich", schreiben Gorodisky, Sobel & Co. Umso wichtiger wäre es, Betroffenen zu helfen, ihren Geruchssinn wiederherzustellen.
"Es herrscht die allgemeine Auffassung, dass der Geruchssinn ein 'unwichtiges' Sinnesorgan des Menschen ist", so die Forscher. Doch dem sei eben nicht so. Für Betroffene sei dies – im übertragenen Sinne – sehr schmerzhaft. Die Zahl der Betroffenen ist indes nur schlecht erforscht: Sie schwankt zwischen 1,4 und bis zu 15 Prozent der Bevölkerung in westlichen Ländern. Über 53 Jahre alte Personen sind sogar mit bis zu 24 Prozent betroffen. Zuletzt kamen insbesondere neue Patienten wegen COVID-19 hinzu.
(bsc)