Microsoft: Europäische "Staats-Cloud" Gaia X "wird nicht erfolgreich sein"

Seite 2: Mehr Soveränität und Interoperabilität

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"Die digitale Entwicklung kann nur stattfinden, wenn wir souverän genug sind, uns im digitalen Raum zu bewegen", plädierte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil für ein breites Verständnis des Schlüsselbegriffs. Dafür müssten im Bildungsbereich und im Erwerbsleben etwa durch einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung die Grundlagen vermittelt werden. Gutachter für das Bundesinnenministerium seien aber auch mit "erschreckender Deutlichkeit" zum Schluss gekommen, dass die Verwaltung weitgehend von Microsoft abhängig sei. Die Kompetenz, bei Hard- und Software frei von Fremdherrschaft agieren zu können und Monopole zurückzudrängen, dürfe die Politik daher nicht aus den Augen verlieren.

"Wir brauchen freie Codes, offene Standards", brach der Sozialdemokrat eine Lanze für mehr Interoperabilität. Christian Mölling, Vizedirektor der Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), plädierte dagegen dafür, den überfrachteten Begriff der Souveränität möglichst zu vermeiden angesichts der Realität "gegenseitiger Abhängigkeiten". Die Rückkehr des Wunsches nach einem starkem Staat sei zwar teils verständlich, auch ein solcher könne aber höchstens noch Nein sagen zu technologischen Innovationen. Für ihn sei spätestens mit der Vergabe der Jedi-Cloud des Pentagons an Microsoft klar, dass Staaten immer mehr Kompetenzen an Firmen abgäben. Die Politik müsse sich von der Idee verabschieden, alles noch zu kontrollieren, und sich fragen, wo ein Aufholen möglich sei oder wo es keine Chance mehr gebe.

Durch Deutschland müsse ein digitaler Ruck gehen, wandelte Hinrich Thölken, Sonderbeauftragte für Digitalisierungspolitik beim Auswärtigen Amt, ein Zitat von Ex-Bundespräsident Roman Herzog leicht ab. Die Debatte über Huawei und 5G sei nur die Spitze des Eisbergs in dem Wissen, dass Technik auch "Doping für Diktatoren" sei und dafür missbraucht werden könne, Menschen zu überwachen, die öffentliche Meinungsbildung zu steuern sowie unliebsame Ansichten zu unterdrücken.

"Big Tech" baue zudem Kapazitäten in der Außenpolitik auf und sei dabei, "klassische Kompetenzen von Staaten anzuknabbern", verwies Thölken etwa auf Facebooks Währungsprojekt Libra. Es gehe daher in der technologischen "Bewährungsprobe für die Demokratie" etwa darum, "die Lufthoheit in der Diplomatie" zu bewahren und weiter "Multilateralismus, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit international durchzusetzen". Verkomme Europa aber zu einer Cyberkolonie von den USA oder China und löse es sich nicht aus deren Abhängigkeiten, bestünden "unschöne Aussichten". (olb)