Microsoft-Prozess: Aufgalopp zur letzten Runde

Im andauernden US-Kartellprozess gegen Microsoft legten die Streitparteien die Dokumente zur Tatsachenbewertung und Bestimmung des Strafmaßes vor.

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Von
  • Jürgen Kuri

Im immer noch andauernden US-Kartellprozess gegen Microsoft nähern sich die beteiligten Streitparteien der letzten Runde. Microsoft wie die Vertreter der verbliebenen neun Bundesstaaten, die die Einigung im Anti-Trust-Verfahren nicht mittragen, reichten die letzten Dokumente vor der abschließenden mündlichen Verhandlung bei Gericht ein. In ihren Tatsachenfeststellungen (findings of fact) und den juristischen Bewertungen (conclusions of law) wollen die Streithähne ihre Positionen für das Urteil und das Strafmaß abstecken. Für das abschließende Urteil fehlen nun noch die entsprechenden Dokumente von der zuständigen Richterin Colleen Kollar-Kotelly. Die Entscheidung von Kollar-Kotelly wird aber frühestens zum Ende des 2. Quartals erwartet. Für den 19. Juni ist noch einmal eine mündliche Verhandlung angesetzt, in der beide Seiten ihre Argumente und Vorschläge für ein Strafmaß noch einmal vortragen können.

Microsoft legt auf insgesamt über 500 Seiten richtig los und wirft den Prozessgegnern vor, nur Zeugen gegen den Redmonder Konzern beigebracht haben, die nur aus Eigennützigkeit aussagten. Sie seien alle von Microsofts Konkurrenten gekommen und hätten hinter den Kulissen bereits seit Jahren mit den klagenden Bundesstaaten zusammengearbeitet. Die außergerichtliche Einigung dagegen, die mit dem US-Justizministerium als ursprünglichem Hauptkläger erreicht wurde, sehe genügend Maßnahmen vor, um die Konkurrenz vor potenziellen wettbewerbswidrigen Praktiken zu schützen, ohne die Branche insgesamt zu behindern.

Die Kläger hielten in ihren Dokumenten, die mit fast 600 Seiten den Umfang der Microsoft-Eingabe sogar noch übertrafen, erwartungsgemäß dagegen: Kein einziger höherer Microsoft-Manager habe die außergerichtliche Einigung zwischen dem Konzern und dem US-Justizministerium hinreichend rechtfertigen können. Die Vorkehrungen, die die Einigung zur Verhinderung wettbwerbsfeindlicher Praktiken Microsofts vorsehe, seien durch Ausnahmen und Zweideutigkeiten so gut wie wertlos. Die außergerichtliche Einigung ist auf Grund des fortdauernden Prozess von Kollar-Kotelly noch nicht abgesegnet worden. Die verbliebenen Kläger fordern weit schärfere Sanktionen gegen Microsoft als in dieser Einigung vorgesehen; unter anderem soll Microsoft gezwungen werden, eine modulare Version von Windows auf den Markt zu bringen, in der Browser, Media Player und andere Programme entfernt werden können. Auch soll Microsoft das Office-Paket zur Umsetzung auf andere Betriebssysteme lizenzieren, den Quelltext des Internet Explorer herausgeben und mindestens zehn Jahre Java in das Betriebssystem integrieren.

Dem allem möchte Microsoft übrigens nicht nur vor Gericht begegnen: Offensichtlich ist das geplante Service Pack 1 für Windows XP, mit dem sich etwa der Internet Explorer in XP abschalten lässt, auch dazu gedacht, den Klägern im Prozess etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Umstritten zwischen den Parteien ist zudem weiterhin, ob das Verfahren über den Ursprung des Falls, den Streit um die Integration des Web-Browsers ins Betriebssystem, hinaus ausgedehnt wird. Die Richterin hat bislang jedoch noch keine klare Position dazu bezogen, ob sie etwa das Umgehen mit den Media-Playern oder das Vorgehen Microsofts bei Handhelds, PDAs und Smartphones in ihrem abschließenden Urteil berücksichtigen will. (jk)