Midem: Streit um Privatkopien und die Vergütung von Kreativen

Auch auf der internationalen Messe der Musikindustrie in Cannes ist der Streit um Urheberrechte, das Recht auf Privatkopie und eine angemessene Vergütung der Künstler ein Thema für die Vertreter von Industrie, Politik und Verbrauchern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 85 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der französische Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres zeigte sich hochzufrieden darüber, dass die Urheberrechtler bei der Generaldirektion Binnenmarkt der EU-Kommission ihre Pläne für eine Empfehlung zur Reform der Urheberrechtsabgaben und zur Privatkopie Ende vergangenen Jahres haben fallen lassen. Auf der Musikmesse Midem in Cannes sprach de Vabres von einem "schönen Sieg", für den die französische Regierung alle Register gezogen habe. Doch diese Ansicht teilen längst nicht alle Lager im europäischen "Urheberrechtskrieg".

Beim Midem-Seminar der Internationalen Vereinigung der Anwälte der Unterhaltungsbranche (IAEL) beklagte Sarah Fauldner, Juristin bei der britischen Verwertungsgesellschaft MCPS/PRS, die mangelnde Harmonisierung in Europa. Urheberrechtsabgaben sind in den verschiedenen EU-Mitgliedsländern unterschiedlich hoch und werden einmal etwa vom importierenden Gerätehersteller (Belgien), einmal gar vom Endnutzer selbst verlangt (Frankreich). Nie habe sich Europa im Übrigen darauf verständigt, ob es eine Schranke für die Privatkopie geben und wie diese gestaltet werden soll.

"Im Ergebnis führt das etwa dazu, dass Verbraucher glauben, was in einem Land bezüglich der Übertragung auf andere Formate erlaubt ist, gilt überall. Dann sind die Leute erstaunt, dass das im Vereinten Königreich illegal ist." Fauldner kritisierte in diesem Kontext den Bericht von Andrew Gowers, in dem er gefordert hatte, einzelne Kopien legal erworbenen Inhaltes auf verschiedenen Abspielgeräten zu erlauben. Damit werde Piraterie praktisch legalisiert, denn die Differenzierungen hinsichtlich Art und Zahl der erlaubten Kopien seien zu fein. Fauldner meinte, es sei schon merkwürdig, ein Gesetz zu ändern, nur weil es gebrochen werde. "Dann sollten wir wohl auch alle Tempolimits erhöhen."

Die französische Regierung erklärte demgegenüber in ihrem neuen Urheberrecht die Privatkopie für zulässig und will mittels einer neuen Kommission Interoperabilität und Möglichkeit zum Transfers zwischen verschiedenen Geräten überwachen. Zu der von Verbrauchern und auch von verschiedenen französischen Verwertungsgesellschaften favorisierten Kulturflatrate konnte man sich am Ende doch nicht durchringen.

Auf dem IAEL-Seminar hat sich auch der Chef der Kommissionsabteilung Copyright und Knowledge-Based Economy, Tilman Lüder, mit der "Globallizenz" beschäftigt. Allerdings ist unklar, inwieweit die Kommission nach der Abfuhr im vergangenen Jahr ihren Hut gleich wieder in den heiß umkämpften Ring wirft – und würde sie sich dann derart "radikalen" Ideen verschreiben, wäre das eine echte Überraschung. Die Kommission will sich nun offenbar des vom US Copyright Office bereits aufgegriffenen Problems der so genannten "verwaisten" Werke annehmen. Das sind Werke, deren Urheber nicht mehr auffindbar ist und die damit eigentlich nicht mehr benutzt werden können, da die Rechte- und Vergütungsfrage nicht geklärt werden kann.

Einen kritischen Blick auf das von der Geräteindustrie statt der Urheberrechtsabgaben favorisierte Individualvergütungsmodell per Digital Rights Management (DRM) oder technischem Umgehungsschutz warf der Schweizer Urheberrechtsexperte Rolf Auf der Maur. "Die Rechteinhaber haben eine Menge Fehler gemacht in den letzten zehn Jahren", so Auf der Maur. So hätten sie zu wenig attraktive legale digitale Inhalte angeboten und es versäumt, Standards für DRM zu schaffen. Auch seien die auf die auf der Kalkulation für physikalische Medien basierenden Preisvorstellungen der Industrie überzogen, zumal sie für Leermedien und Inhalte gleich doppelt abkassieren würde. Zudem hätte die Industrie die Schutzfunktion DRM auch noch missbraucht, um ihre Kunden auszuspionieren. Den Skandal um den Sony/BMG Rootkit nannte Auf der Maur "den letzten Sargnagel" für DRM.

Auf der Maur sprach damit Cornelia Kutterer vom Dachverband der europäischen Verbraucherzentralen (BEUC) so ziemlich aus dem Herzen. Sie beklagte, dass Verbraucher sogar dreimal zur Kasse gebeten würden: wenn sie einen Inhalt kaufen, wenn sie elektronische Geräte kaufen und wenn sie Aufnahmemedien kaufen. "Wenn Inhalteanbieter DRM oder TPM einsetzen, sollten sie nicht gleichzeitig Urheberrechtsabgaben erheben können", so Kutterer. Nur ein weitgehendes Recht auf Privatkopie, wie es derzeit in der Schweiz diskutiert wird, rechtfertige ein System von Urheberrechtsabgaben. In der digitalen Welt sei ein Abgabensystem letztlich angemessen, wenn der Download als Schrankenregelung erlaubt sei, so Kutterer. Die Globallizenz zur Kompensierung der Künstler mache dann auch Sinn.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (vbr)