Missing Link: Amazon im Fluss - das Einkaufsreich im Netz, die Internet-Namen und das kulturelle Erbe

Seite 2: Von Recht, Moral und Menschenverstand

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Natürlich müsse die ICANN .amazon an Amazon, die Firma, vergeben, schreibt Farzaneh Badii vom Georgia Institute of Technology in einem Kommentar für den kritischen Blog von Internet Governance.org. Das jahrelange Zaudern und Zurückweichen vor den Regierungen ist für die Wissenschaftlerin und Aktivistin ein Beleg, dass die Selbstverwaltung sich einschüchtern lasse von den Regierungen.

Laut den Regeln über die Vergabe für neue TLDs (dem "Applicant Guidebook") stehe Amazon die TLD zu. Ein Einknicken vor "einer Gruppe von Regierungen" würde einer "Politisierung" und Unterminierung der Unabhängigkeit der Selbstregulierung führen, warnt Badii. "Es geht nicht in erster Linie um Amazon", versichert sie, "das gut ohne diese Domain auskommen könnte." Vielmehr stünde "jedes Recht der Zivilgesellschaft" auf dem Spiel, wenn "eine Gruppe von Regierungen das ICANN-Regime ausnutzen kann, um sich Kontrolle über globale Ressourcen zu verschaffen, auf die sie weder einen rechtlichen noch moralischen Anspruch haben."

Man muss nicht ganz so dick auftragen, findet Kathrin Ohlmer, Geschäftsführerin von dotzon, einem kleinen Unternehmen, das eine ganze Menge Bewerber auf dem Weg zur eigenen geographischen oder Marken-TLD begleitet hat. "Rechtlich sehe ich wenig Chancen für die ACTO-Länder. Amazon ist ein Firmenname", sagt Ohlmer. Von den bestehenden Schutzmaßnahmen im Bewerbungsverfahren der ICANN sei Amazon auch nicht gedeckt. Im Nachhinein zu beklagen, dass man "etwas vergessen" habe bei den entsprechenden Regelungen, wäre ihrer Ansicht nach problematisch.

Totenkopfäffchen im Amazonas-Urwald.

(Bild: Jose HERNANDEZ Camera 51 / shutterstock,com)

Umso härter wird übrigens aktuell bei der laufender Überarbeitung für die Regeln zum Schutz geographischer Bezeichnungen in der nächsten Vergaberunde gerungen, weiß Ohlmer, die die geo-TLDs im sogenannten "Work Track 5" vertritt. Schon möglich, meint Ohlmer, dass die Staaten im Fall der Delegierung von .amazon an das Unternehmen noch einmal härter auf Regeln zum Schutz der Namen nicht nur von Ländern, sondern auch von Städten, Flüssen, Bergen oder Landstrichen pochen.

Ohlmer kennt die andere Seite. Vor der Delegation verschiedener Städtenamen in Deutschland wie .berlin und .hamburg, an denen sie beteiligt war, verhandelten die Bewerber intensiv mit den Städten und reisten – im Fall Berlins – sogar um den halben Globus, um all die Berlins in anderen Teilen der Welt ins Boot zu holen. Die Eskalation im Fall .amazon hätte sich vielleicht auch vermeiden lassen, meint sie, nicht zuletzt durch eine Anerkennung unterschiedlicher Philosophien in Bezug auf das, was der Öffentlichkeit gehört – nicht im Sinn einer Regierung, sondern einer lokalen Gemeinschaft.

Ohlmer weiß, dass, während die öffentliche Hand an .berlin, .hamburg oder .bayern und anderen europäischen Städten und Regionen intensiv und teilweise auch finanziell zu beteiligen war, in den USA das Markenrecht die Ideen von einer Allmende schlägt, von einem frei verfügbaren Allgemeingut.