"Mission Breitband" in Niedersachsen: Alle Landkreise am Start

Der Breitbandausbau ist ein wichtiges Zukunftsthema, die bisher gesetzten Ziele zum Ausbau werden aber mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt. Das liegt unter anderem an einer unübersichtlichen Förderstruktur, heißt es in Niedersachsen.

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Breitband-Ausbau

(Bild: dpa, Jan Woitas)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Helmut Reuter
  • dpa
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Wer Internet hat, ist klar im Vorteil. "Auch Ihre Enkelkinder besuchen Sie häufiger und länger, weil sie bei Ihnen surfen können ;-)", wirbt der Landkreis Uelzen augenzwinkernd für den Anschluss ans schnelle Glasfasernetz in seinem Gebiet. Wie in Uelzen sind in Niedersachsen alle 36 Landkreise und die Region Hannover sowie die kreisfreien Städte im geförderten Breitband-Ausbau aktiv.

Es gehe um schnelles Internet für alle Haushalte, letztlich aber um die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raumes, so der Landkreistag. Beim "Breitband-Gipfel" ziehen Land, Kreise, Kommunen und Unternehmen am Mittwoch in Osterholz-Scharmbeck wieder Bilanz.

"Weiße Flecken" sollen in Deutschland und Niedersachsen bald der analogen Vergangenheit angehören. Wer an einem solchen Fleck wohnt, der muss sich mit maximal mageren 30 MBit pro Sekunde zufrieden geben. Da gehören Ruckeln beim Video-Streaming und lange Download-Zeiten zum digitalen Alltag. "Unterversorgt" – lautet die offizielle Diagnose. Die Bundesregierung hält seit 2015 mit milliardenschweren Finanzspritzen dagegen und will, dass bis Ende 2018 jeder Haushalt mindestens einen 50-MBit-Zugang hat.

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Niedersachsen rangiert mit einem 50-MBit-Versorgungsgrad von 76,4 Prozent auf Platz sechs der Flächenländer. Nummer eins ist Nordrhein-Westfalen mit 82,2 Prozent, wie der TÜV Rheinland errechnete. Der Stadtstaat Bremen liegt übrigens bei 93,6 Prozent.

Seit Januar 2016 hat die niedersächsische Landesregierung im Rahmen der Breitbandförderungsmittel 105 von den vorgesehen 120 Millionen Euro bereits bewilligt. Vom Bund flossen seitdem insgesamt 286 Millionen Euro für diesen Zweck ins Land. Trotz der Anstrengungen werde das bundesweite 50-MBit-Ziel bis 2018 kaum erreichbar sein, meint Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). "Wir haben uns die Zielmarke 2019, maximal 2020 gesetzt."

Auch Peer Beyersdorff, Geschäftsführer des Breitband Kompetenz Zentrums Niedersachsen, hält 2020 für realistischer. Das Zentrum berät Kommunen, Provider und Bürger beim Breitbandausbau im Land. "Noch nie haben wir so viele bewilligte Förderprojekte gehabt", bilanziert Beyersdorff. Die Kehrseite: Es gibt schon Stau beim Ausbau der Datenautobahn, denn digitale Hochgeschwindigkeitsnetze fangen mit dem Verlegen von Glasfaserkabeln an und das heißt Baggern und Erdarbeiten. Es gebe aber nicht genügend Unternehmen für die Arbeiten.

Die Landkreise sehen noch eine andere Bremse: "Das Fördermittel-Chaos", wie Joachim Schwind, Geschäftsführer vom Landkreistag spitz formuliert. "Es muss dringend Schluss gemacht werden mit den parallelen Fördermittelstrukturen von Bund und Land. Nur die Länder müssen zuständig sein", mahnt er mehr Effektivität an. Dem pflichtet auch der Wirtschaftsminister Lies bei. "Die Fördermittel müssen aus einer Hand kommen und regionalisiert sein." Der Bund sollte deshalb den Ländern die Mittel geben, die selbst entscheiden könnten, wo diese eingesetzt würden. "Das würde den weiteren Ausbau beschleunigen", sagte Lies.

Kritisch sieht der Landkreistag auch die hochkomplexen Antragsverfahren, die eine intensive und teure Beratung voraussetzten. Schwind verweist auf den Landkreis Hameln-Pyrmont, der auf 15 Millionen Euro Bundes-Fördermittel verzichtete, weil die Antragsvorgaben schlicht nicht zu bewältigen gewesen seien. "Nahezu unerfüllbar", hieß es im Rückblick bei der Verwaltung in Hameln. Der Kreis geht beim Ausbau nun andere Wege.

Hameln setzt wie Uelzen auf das "Betreibermodell". Dabei baut der Kreis die Glasfaser-Netze selbst aus und verpachtet sie dann langfristig an einen Provider, der die Anschlüsse vermarktet. Im Kreis Uelzen müssen in verschiedenen Regionen (Clustern) mindestens 60 Prozent aller unterversorgten Haushalte einen Vorvertrag für den Anschluss unterzeichnen, bevor die Arbeiten beginnen können. In fünf Clustern wurde das Ziel erreicht und teils übertroffen. Die Mehrzahl der Landkreise und Gemeinden entschied sich für das sogenannte Wirtschaftlichkeitslückenmodell, das einmalige Zuschüsse an entsprechende Telekommunikationsunternehmen vorsieht, die digital unterversorgte Gebiete ausbauen und anschließen.

Auch wenn das 50-MBit-Ziel 2018 oder 2020 erreicht wird, ist jetzt schon klar, dass es eigentlich viel mehr sein müsste. Vor dem Hintergrund immer neuer Angebote und Dienste verdoppelt sich alle zwei Jahre der Bandbreitenbedarf für das Internet. In Niedersachsen heißt das Ziel deshalb: bis 2025 Highspeed-Glasfasernetze für alle Haushalte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte im Sommer die digitale Dimension klar: Längst müsse man "im Gigabit-Bereich denken", wenn man es mit dem Internet der Dinge, dem autonomen Fahren oder der Telemedizin ernst nehmen wolle. (kbe)