WhatsApp wird für Telegram, Signal & Co geöffnet | c't 3003

Die EU zwingt WhatsApp, mit anderen Messengern kompatibel zu werden. Erreichst du in Zukunft also WhatsApp-Kontakte über Telegram & Co? c't 3003 checkt's aus.

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Mit dem Digital Markets Act (DMA) möchte die EU für mehr Fairness im digitalen Wettbewerb sorgen. Ein Punkt ist die Messenger-Interoperabilität. WhatsApp und der Facebook Messenger müssen es kleineren Anbieter ermöglichen, Nachrichten mit ihnen auszutauschen. Heißt das, dass wir alle bald auch über Telegram, Signal & Co. mit unseren WhatsApp-Freunden schreiben können? c't 3003 hat sich den DMA mal genauer angeschaut.

(Hinweis: Es handelt sich hier um einen Bonusinhalt für Menschen, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Die Informationen auf der Bildspur gibt das Transkript nicht wieder.)

Guckt mal hier, das bin ich, wie ich versuche, mit Signal-Leuten auf WhatsApp zu schreiben. Und Überraschung, klappt nicht. Könnte es aber, wenn es nach der EU geht. Und ihr denkt euch jetzt bestimmt, ja cool, aber wo ist Keno? Ja, der ist leider krank und deswegen übernehme ich die Woche mal 3003.

Also, schau mal hier, das ist der Digital Markets Act der EU. Und wenn ihr jetzt denkt, boah, hören wir mit dem langweiligen ****** auf, ja gut, dann sind wir eigentlich einer Meinung. Das ist nämlich wirklich alles andere als spannend, so 100 Seiten Gesetzestext durchzulesen. Haben wir aber trotzdem mal gemacht. Warum? Weil die EU da ganz schön viele Dinge regelt, die unseren digitalen Alltag krass verändern könnten. Das neue iPhone zum Beispiel hat jetzt unter anderem wegen der EU USB-C. Also wie jedes andere Smartphone. Apple muss auf seinen iPhones Sideloading, also das Installieren von Apps außerhalb des App-Stores, erlauben. Und WhatsApp muss bald mit allen Messengern kompatibel werden. Denn wenn es nach der EU geht, dann müssen bald alle großen Messenger-Anbieter miteinander funktionieren. Interoperabilität heißt das. Warum das jetzt vielleicht besser klingt, als es dann wirklich ist? Bleibt dran.

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Ja, der Messenger-Markt ist also an dem Punkt angekommen, wo sich die Politik gezwungen sieht einzugreifen. Schon krass, denn früher war das eigentlich schon mal besser gelöst. Ganz Oldschool mit der SMS kann man seit fast 30 Jahren jeden mit einem Handy erreichen. Am 3. Dezember 1992 hat der Ingenieur Neil Papworth die allererste SMS der Welt verschickt. Kurz und knapp hat er darin einem Kollegen Merry Christmas gewünscht. Joa, und dann ging es so richtig los. Die SMS wurde der Verkaufsschlager der Mobilfunkanbieter. Bis zu 39 Cent haben Kunden früher für eine SMS mit 140 Zeichen bezahlen müssen. Und allein 2012 wurden allein in Deutschland noch über 59 Milliarden SMS verschickt.

Der Erfolg der SMS kam, wie bei der E-Mail auch, weil es einen einheitlichen Standard gibt, den jeder benutzt. Jeder kann einfach jeden erreichen, egal ob Sony Ericsson, Motorola, LG oder Nokia-Handy. Man musste sich also keine Gedanken machen, welche Plattform der andere benutzt. Ja, und diesen kostenpflichtigen Luxus, den haben uns die ganzen Messaging-Anbieter dann wieder genommen. Weil heute viele auf WhatsApp schreiben, andere auf Signal, manche auf Telegram und dann gibt es noch Threema oder iMessage, you name it. Also es gibt Messenger-Anbieter wie Sand am Meer. Und die sind fast alle gratis und können auch mehr als diese Oldschool-SMS.

Aber das hat einen entscheidenden Nachteil. Wenn ich mit jemandem schreiben möchte, der nicht den gleichen Anbieter wie ich hat, dann muss einer von uns beiden, ja halt wohl oder übel, einen neuen Messenger installieren. Das ist natürlich mega nervig und kundenunfreundlich für uns Verbraucher. Und deswegen möchte die EU jetzt große Anbieter dazu zwingen, dass sie miteinander funktionieren. Und deswegen gilt seit Mai 2023 der Digital Markets Act, also das Gesetz über digitale Märkte. Und das besagt, große Anbieter, also sogenannte Gatekeeper, müssen ihre Angebote für andere Anbieter auf deren Verlangen zugänglich machen. Oder einfach gesagt, WhatsApp muss es zum Beispiel Wire ermöglichen, Nachrichten mit WhatsApp auszutauschen. Als solche Gatekeeper zählen für die EU Anbieter, die zum einen mehr als 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU haben, die in mehr als drei EU-Ländern ihre Dienste anbieten und die in den letzten drei Jahren mindestens 7,5 Milliarden Euro Umsatz erzielt haben.

Die EU hat jetzt offiziell mitgeteilt, welche Anbieter unter diese Regelung fallen werden. Das sind Alphabet, also Google, Amazon, Apple, ByteDance, also TikTok, Meta und Microsoft. Für das Messaging bedeutet das aber, dass nur Meta, also WhatsApp und der Facebook Messenger unter diese Regelung fallen. iMessage wird zwar gerade noch geprüft, aber laut Apple hat der Dienst weniger als 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU und würde deswegen gar nicht unter diese Regelung fallen. Joa, und jetzt hat Meta eben sechs Monate Zeit, diese Regelungen umzusetzen und die beiden Dienste auf das Verlangen von anderen Anbietern hin zu öffnen. Erstmal nur für Einzelchats, innerhalb von 2 Jahren dann auch für Gruppenchats und noch mal später dann auch für Videoanrufe und ganz normale Anrufe.

Vor ein paar Tagen sind schon Screenshots von einem WhatsApp-Update rumgegangen, die ein Chatfenster für Drittanbieter-Chats zeigen. Ja und heißt das jetzt, der Lukas vom Anfang aus diesem Video kann dann einfach mit Signal all seine Kontakte erreichen? Nein. Denn auch wenn Meta jetzt von der EU gezwungen wird, ihre Dienste zu öffnen, die kleinen Anbieter müssen da halt auch mitmachen wollen. Und ich sag mal so, wenn ich jetzt als Nutzer zu 'nem kleineren Anbieter wie Threema gehen würde, damit meine Daten gerade nicht bei Meta landen, ja dann fände ich's nicht so nice, wenn die auf einmal eine Schnittstelle zu Meta, also zu WhatsApp oder dem Facebook Messenger, anbieten würden.

Signal hat deswegen auch schon länger angekündigt, dass sie bei dieser ganzen Interoperabilität nicht mitmachen wollen. Und weil Signal eben kein Gatekeeper ist, kann sie die EU auch nicht dazu zwingen. Genauso wie Threema übrigens, die auch schon angekündigt haben, dass sie sich bei diesem Thema erstmal zurückhalten wollen. Das Problem ist, neben der Sorge um die Nutzerdaten, die dann bei Meta landen, auch, dass dann genau das Gegenteil passieren könnte. Also kleinere Anbieter befürchten, dass am Ende eher weniger Nutzer auf ihre Plattform kommen, wenn die auch von WhatsApp aus erreichbar wäre. Es könnte, stand jetzt, also tatsächlich passieren, dass Facebook Messenger und WhatsApp Drittanbieter-Chats zwar ermöglichen, das aber niemand in Anspruch nimmt.

Was aber wirklich noch mal Bewegung in dieses Interoperabilitäts-Thema bringen könnte, wäre, wenn die EU iMessage zu einem Gatekeeper erklären würde. Sollte Apple iMessage öffnen müssen, wäre das nämlich tatsächlich eine krasse Veränderung. In den USA sind iPhones deutlich verbreiteter als hier bei uns und damit ist iMessage weltweit einer der beliebtesten Messaging-Anbieter, der aber nur auf iPhones funktioniert. Kontakte ohne iPhone bekommen dann einfach eine normale SMS zugeschickt und der Chat hat dann eine grüne statt einer blauen Sprechblase. Was bedeutet, diese Textnachricht war jetzt vielleicht kostenpflichtig? Auf jeden Fall nicht kostenlos über das Internet übertragen, sondern ganz Oldschool 'ne SMS. Und damit hält Apple auch wirklich Leute bei iMessage und dem iPhone, weil sie ihre Blue Bubbles nicht verlieren wollen. Und in Deutschland könnten iPhone-Nutzer dann einfach aus der Nachrichten-App heraus mit WhatsApp-Kontakten chatten und eben andersrum. Und sollte iMessage wirklich als Gatekeeper benannt werden, dann müssten sie auch mitmachen. Die Strafen, wenn sich Unternehmen nicht daranhalten, sind nämlich super hoch. Bis zu 10 Prozent vom weltweiten Gesamtumsatz und bei wiederholter Zuwiderhandlung sogar bis zu 20 Prozent.

Technisch wird die Interoperabilität wohl über ein neues gemeinsames Protokoll umgesetzt, das auch verschlüsselt. Denn bisher verwenden Messenger wie WhatsApp teilweise unterschiedliche Protokolle, die sie selbst entwickelt haben und die nicht mit anderen kompatibel sind. Und das ist wahrscheinlich auch einer der größten Knackpunkte an der ganzen Geschichte. Weil das Zusammenführen von Konversationen zwischen verschiedenen Anbietern nicht einfach mit dem Umlegen von dem Hebel funktioniert. Es braucht also eine Möglichkeit, um zwischen den verschiedenen Messengern, die Interoperabilität anbieten, zu vermitteln. Eine Lösung dafür könnte das Messaging-Layer-Security-Protokoll sein, kurz MLS. Damit soll zukünftig sichere Kommunikation mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auch in Gruppen möglich sein. Meta hat bei der Entwicklung übrigens mitgewirkt, genauso wie Google, Mozilla oder AWS. Damit gäbe es dann einen einheitlichen Standard zur Verschlüsselung und der könnte auch von kleineren Anbietern genutzt werden, wenn sie denn wollen. Was MLS aber bisher nicht löst, ist die Frage, wie sich Nutzer in unterschiedlichen Plattformen denn eigentlich finden können und was mit Nutzern ist, die ihre Nummer schon für unterschiedliche Dienste verwenden. Könnten die dann einen Standarddienst zum Beispiel angeben? Joa, ist noch ein bisschen was zu tun in den nächsten 6 Monaten, sag ich mal.

Mein Fazit: Also in der Theorie ist das, was die EU da vor hat, auf jeden Fall erstmal gut. Denn große Monopole führen über einen längeren Zeitraum bei den Usern eigentlich nie zu mehr Zufriedenheit. Also, dass die EU jetzt zum Beispiel Apple vorschreibt, dass sie auf den iPhones auch Apps erlauben müssen, die nicht aus dem App Store kommen, richtig gut. Aber ich wage mal zu bezweifeln, ob sich durch diese Änderungen bei den Messengern jetzt ernsthaft was verändert. Weil die EU kann Meta noch so sehr zwingen, seine Pforten zu öffnen, wenn kein anderer Anbieter Bock hat, dann bleibt halt alles so, wie es ist. Wenn man wirklich für jeden erreichbar sein und auch jeden erreichen möchte, dann bleibt einem wahrscheinlich auch in Zukunft nichts anderes übrig, als mehrere Messenger-Dienste auf seinem Smartphone zu installieren. Das machen aber wieder nur wenige und so beißt sich die Katze dann irgendwie wieder in den Schwanz. Und am Ende ist es dann einfach wieder das leichteste, einfach auf WhatsApp zu sein, weil da sind im Zweifel halt alle.

Wie seht ihr das? Nutzt ihr einen anderen Messenger als WhatsApp und würdet ihr euch im Zweifelsfall freuen, wenn ihr damit dann auch WhatsApp-Nutzern schreiben könnt? Nutzt ihr einen anderen Messenger als WhatsApp und würdet ihr euch wünschen, damit auch an WhatsApp-Nutzern Nachrichten schreiben zu können? Schreibt es gerne mal in die Kommentare und natürlich auch gerne abonnieren. Tschüss!


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(rum)