Mobilfunkbranche kritisiert Halbierung der Terminierungsentgelte

Die Netzbetreiber hatten zwar mit einer Absenkung der Gebühren gerechnet, nicht aber mit einer glatten Halbierung. Die überraschende Entscheidung des Regulierers habe Konsequenzen für den Breitbandausbau, mahnen Branchenvertreter.

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Auf die Absenkung der Terminierungsentgelte für Mobilfunknetzbetreiber durch die Bundesnetzagentur hat die Branche mit unterschiedlich starker Kritik reagiert. Überrascht waren die vier deutschen Netzbetreiber von der Radikalität des Regulierers – dass die neuen Entgelte so kurzfristig und so deutlich gesenkt wurden, hatten sie nicht erwartet. Branchenvertreter mahnen, die Entscheidung könne Konsequenzen für die Breitband-Strategie der Bundesregierung haben. Doch auch wenn jetzt nicht das ganz große Wehklagen ausgebrochen ist, müssen die vier Netzbetreiber die Entscheidung des Regulierers erst einmal verarbeiten: Die Halbierung der Entgelte bedeutet für sie auch die Halbierung eines nicht ganz kleinen Umsatzpostens.

Die Bundesnetzagentur hatte die Minutenentgelte, die Mobilfunknetzbetreiber anderen Anbietern für die Vermittlung von Gesprächen in das eigene Netz berechnen (die sogenannte Terminierung), am Dienstag überraschend deutlich auf jeweils gut 3 Cent pro Minute gesenkt. Die Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund der Bemühungen der EU-Kommission zu sehen, die Regulierung des europäischen Telekommunikationsmarktes zu harmonisieren. Die Bundesnetzagentur hatte am Dienstag betont, dass sich die neuen Entgeltvorschläge "gut in das europäische Niveau einfügen".

Der IT-Branchenverband Bitkom geißelte am Mittwoch den "staatlichen Eingriff" als "erneutes Preisdiktat im Handymarkt". Die deutschen Terminierungsentgelte lägen ohnehin schon unterhalb des europäischen Durchschnitts. "Bei der Absenkung der Terminierungsentgelte wird vordergründig verbraucherpolitisch argumentiert. Es geht um eine kurzfristige Senkung von Preisen, ohne an die langfristigen Folgen zu denken“, kritisierte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. "Damit werden den Netzbetreibern Mittel entzogen, die für Investitionen in Netzausbau und -qualität fehlen." Damit stehe der Beschluss der Bundesnetzagentur "im krassen Gegensatz zur Breitband-Strategie der Bundesregierung".

Ins gleiche Horn stoßen Telekom und O2: "Es handelt sich um eine katastrophale Entscheidung für den deutschen Mobilfunkmarkt, insbesondere auch wegen der anstehenden LTE-Investitionen", sagte ein Telekom-Sprecher des Konzerns. "Die Entscheidung ist ein völlig verfehltes Signal an den deutschen Mobilfunkmarkt und stellt die Breitbandstrategie der Bundesregierung in Frage." Das sieht auch O2-Deutschlandchef René Schuster so: "Dem Markt werden unnötig Investitionsmittel entzogen. Kunden in ländlichen Gebieten hätten bei einer vorausschauenderen Entscheidung zu den Mobilfunk-Terminierungsentgelten wesentlich schneller mit mobilem Breitband versorgt werden können."

Erwartet hatten die Marktteilnehmer eine moderatere Absenkung wie in den vergangenen Tarifrunden auch. Denn dass die Terminierungsentgelte weiter sinken, darüber herrscht Einigkeit in der Branche. Auch bei Vodafone, dass sich ansonsten mit öffentlicher Kritik vornehm zurückhält, hat man mit sinkenden Gebühren kalkuliert. Doch die Radikalität der Bundesnetzagentur hat die Regulierungsexperten bei den Netzbetreibern kalt erwischt. "Grundsätzlich teilen wir die Auffassung der Bundesnetzagentur, dass die Mobilfunkterminierungsentgelte sinken müssen", erklärte ein Sprecher von E-Plus. "Es ist allerdings unverständlich, dass die Bundesnetzagentur von einem Tag auf den anderen eine derart deutliche Absenkung vornimmt."

E-Plus kritisiert zudem die weitgehende Angleichung der bisher für D- und E-Netzbetreiber unterschiedlichen Tarife. Die sogenannte Tarifspreizung sollte wirtschaftliche Nachteile der später in den Markt gestarteten E-Netzbetreiber abfedern helfen. Da sich die neuen Entgelte nur noch um Cent-Bruchteile unterscheiden, fordert E-Plus nun eine gleichmäßige Neuverteilung der günstiger zu bewirtschaftenden 900-MHz-Frequenzen, auch um "die wettbewerbsschädlichen Auswirkungen" der Entscheidung des Regulierers "in Grenzen zu halten", wie ein Sprecher erklärte. Mit ähnlichen Argumenten hatten sich die E-Netzbetreiber auch gegen die Auktionsregeln für die Versteigerung der "Digitalen Dividende" im Mai 2010 gewandt. (vbr)