Netzwerkdurchsetzungsgesetz: UN-Beauftragter sieht Anonymität gefährdet

Der Sonderbeauftragte der UN für die Meinungsfreiheit, David Kaye, hat die geplanten Regeln für Online-Plattformen zum schnelleren Löschen strafbewehrter Inhalte scharf kritisiert. Sie schössen weit übers Ziel hinaus.

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Netzwerkdurchsetzungsgesetz: UN-Beauftragter sieht Anonymität gefährdet

(Bild: Hannah Wei)

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Der Entwurf der Bundesregierung für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz stößt bei den Vereinten Nationen auf Widerstand. David Kaye, der UN-Sonderbeauftragte für die Meinungsfreiheit, lässt in einer jüngst nach Berlin geschickten und inzwischen auch veröffentlichten Stellungnahme von Anfang Juni kaum ein gutes Haar an dem Vorhaben.

Es gebe zwar ein berechtigtes staatliches Interesse, einen Schutz zu bieten vor Terrorismus, Kinderpornographie und Hassäußerungen, mit denen zu Gewalt aufgerufen werde. Die vorgeschlagenen Regeln scheinen dem US-Rechtsprofessor aber Plattformbetreibern zu große Verantwortlichkeiten aufzubürden und kaum mit internationalen Menschenrechtserklärungen wie dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte vereinbar zu sein.

David Kaye

(Bild: ohchr.org)

Soziale Netzwerke und weitere, nicht genau abgegrenzte Online-Anbieter müssten Informationen teils aufgrund "vager und mehrdeutiger" Kriterien entfernen, warnt Kaye. Die Liste der Verstöße sei breit, wobei nicht alle den gleichen Schutzgrad hätten. Viele seien zudem nur aus dem Kontext zu verstehen, den die Plattformen nicht selbst bewerten könnten. Angesichts der drohenden millionenschweren Bußgelder und der kurzen Prüffristen von Beschwerden würden die Betreiber geradezu genötigt, auch potenziell rechtmäßige Inhalte zu löschen. Dies könne ungebührliche Eingriffe in die Rechte auf Meinungsfreiheit und Privatsphäre mit sich bringen, über die höchstens ein Gericht oder zumindest eine unabhängige Institution entscheiden dürfe.

Schwere Bedenken hat der UN-Jurist auch, dass die Anonymität der Nutzer ausgehöhlt würde. Diese begründet er mit der Auflage, dass umstrittene strafbewehrte Inhalte sowie zugehörige Nutzerinformationen für eine unbestimmte Zeit gespeichert und dokumentiert werden müssten, was eine staatliche Überwachung der Betroffenen erleichtere. Kaye reibt sich in diesem Zusammenhang zudem an dem vorgesehenen breiten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch auf Herausgabe von Bestandsdaten zu einer IP-Adresse. Auch hier vermisst er zumindest die Schranke einer Richteranordnung, sodass das Mittel unverhältnismäßig wäre. Der Beauftragte bittet die Bundesregierung um Stellungnahme binnen 60 Tagen. Bis zu dieser Frist Ende Juli könnte der Entwurf freilich bereits Bundestag und Bundesrat passiert haben. (anw)