Neue BefĂĽrchtungen um heimliche Legalisierung von Softwarepatenten

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) fürchtet, dass bei der Prüfung der Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) durch das Europäische Patentamt der Gesetzgeber umgangen wird.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 70 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat schwere Bedenken gegen die laufende interne Überprüfung der umstrittenen Auslegungspraxis des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) durch das Europäische Patentamt (EPA). Die Münchner Behörde sei dabei, sich ihre Linie zur Vergabe von Softwarepatenten in Form des gewerblichen Rechtsschutzes für "computerimplementierte Erfindungen" selbst zu bestätigen, warnt die Mittelstandsvereinigung. Dabei werde das Europäische Parlament umgangen und eine Entscheidung ohne demokratische Debatte getroffen, die europaweit gravierende Auswirkungen habe.

EPA-Präsidentin Alison Brimelow hatte im Herbst der Großen Beschwerdekammer der Institution eine Reihe offener Fragen rund um die Patentierung von Computerprogrammen vorgelegt. Dazu führt die Behörde noch bis Ende April eine öffentliche Konsultation durch. Für den neuen FFII-Präsidenten Benjamin Henrion handelt es sich dabei aber um eine Alibi-Veranstaltung: Der aktuelle Plan der Patentlobby laufe darauf hinaus, nach dem Scheitern der Softwarepatent-Richtlinie 2005 einen neuen Vorstoß des Gesetzgebers zu verhindern. Die gegenwärtige Praxis des EPA solle über einen zentralen Patentgerichtshof festgeschrieben und die Richter durch die Entscheidung der Beschwerdekammer gesteuert werden.

Rechtsexperten und Abgeordnete kritisieren seit Langem, dass das EPA der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogen und sich selbst Richter, Gesetzgeber und Ausführungsorgan sei. Sie schlagen daher vor, das Patentamt in eine EU-Behörde umzuwandeln. Mit Sorge beobachten sie zudem andauernde Bestrebungen des EPA-Verwaltungsrats, seine Kompetenzen zu erweitern. So baute das Aufsichtsorgan etwa allein auf Basis einer "strategischen Debatte" das European Patent Network auf, um die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Patentämtern bis hin zur Nutzung von Rechercheergebnissen zu Anträgen auf gewerbliche Schutzrechte zu stärken.

Kritiker fürchten, dass so der Einfluss der Mitgliedsstaaten, die auch im Verwaltungsrat sitzen und an den Patenterteilungen gut mitverdienen, immer größer wird und neue Interessenskonflikte aufbrechen. Bestätigt fühlen sie sich durch den aktuellen Vorstoß des Aufsichtsgremiums, voraussichtlich schon auf seiner kommenden Sitzung in der nächsten Woche eine schlagkräftigere Arbeitsgruppe in Form eines "Technical and Operational Support Committee" (TOSC) einzusetzen. Dieser Beirat soll unter anderem den Austausch von Informationen über "Automatisierungsprojekte" zwischen den nationalen Patentämtern und dem EPA vorantreiben, technische Kooperationsgespräche mit den Pendants in den USA und Japan führen, die Qualitätskontrolle verbessern sowie das Konzept des europäischen Patentnetzwerks weiter entwickeln.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)