Neue Bundesregierung dämpft Hoffnungen auf schnelle Digitalisierung
Bis Ende 2022 sollten Verwaltungsleistungen für Bürger eigentlich digitalisiert sein, doch dieses Ziel wird definitiv verfehlt, räumt der Bundes-CIO ein.
Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht die Digitalisierung des Staates an erster Stelle, doch nun dämpft die neue Bundesregierung die Hoffnung auf schnelle Erfolge. Man könne kein "100-Tage-Programm abbrennen, und dann ist die Welt gut", sagte der CIO des Bundes, Markus Richter, am Dienstag beim Zukunftskongress Staat & Verwaltung. "So tickt Verwaltung nicht." Wichtiger als "Strohfeuer" seien Strukturen und Nachhaltigkeit.
Richter räumte auch ein, dass Bund und Länder das Online-Zugangsgesetz (OZG) nicht fristgerecht umsetzen werden. "Es wird uns nicht gelingen, alles flächendeckend in jeder Kommune digital zu haben", sagte er. Im OZG hatten Bund und Länder sich 2017 verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 zu digitalisieren. Experten prophezeien schon seit einigen Jahren, dass die Frist gerissen werden wird.
50 von 460 Verfahren der Länder digital
Details zum Stand der OZG-Umsetzung nannte Ernst Bürger, der zuständige Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium. Der Bund hat demnach über 90 seiner insgesamt 115 Verwaltungsleistungen digitalisiert. Für 460 Verfahren sind allerdings die Länder und Kommunen zuständig. Aus diesem Bereich sind bislang erst 50 "Referenzimplementierungen" online, also in mindestens einer Kommune verfügbar. 100 weitere werden zurzeit umgesetzt, 100 weitere sind in Planung.
Bis ein Verfahren dann in allen Kommunen und Bundesländern online ist, kann es noch einige Monate oder Jahre dauern. "Online" bedeutet zudem nicht, dass Bürger alles übers Internet erledigen können. In vielen Fällen müssen Belege weiterhin auf Papier eingereicht werden, und Behörden antworten weiterhin per Brief.
Faeser verspricht ehrliche Bestandsaufnahme
Die Verantwortung für die Digitalisierung der Verwaltung liegt weiterhin im Innenministerium und nicht im Digital- und Verkehrsressort von Volker Wissing (FDP). Die neue Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte beim Zukunftskongress, sie wolle in den ersten 100 Tagen eine Bestandsaufnahme machen, "die ehrlich ist und transparent macht, wo wir gerade tatsächlich stehen bei der Digitalisierung von Staat und Verwaltung".
Dass der Status quo nicht ausreiche, machte Faeser aber bereits jetzt klar: "Ich staune manchmal, dass wir manche Dinge noch nicht auf den Weg gebracht haben und in manchen Arbeitsfeldern noch nicht auf der Höhe der Zeit sind." (cwo)