Neue Ermittlungsansätze: Europol nutzt Palantirs Big-Data-Software Gotham

Die europäische Polizeibehörde setzt im Anti-Terror-Kampf auf das Paradeprogramm der Firma Palantir, die auch eng mit US-Geheimdiensten kooperiert.

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Neue Ermittlungsansätze: Europol nutzt Palantirs Big-Data-Software Gotham

Die Europol-Zentrale in Den Haag

(Bild: Shutterstock/My Eyes4u)

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Europol verwendet schon seit Mitte 2017 die "Spezialsoftware" Gotham des umstrittenen US-Unternehmens Palantir "für die operative Analyse aller Daten, die im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung stehen". Dies erklärt die EU-Kommission in einer jetzt veröffentlichten Antwort auf eine Frage der EU-Abgeordneten Cornelia Ernst von der Linksfraktion. Das Programm werde dabei "als Instrument für operative Analysen" eingesetzt.

Laut der Kommission erprobte Europol die Big-Data-Software zunächst 2016 im Rahmen der Arbeitsgruppe "Fraternité", die das Amt nach Terroranschlägen in Frankreich eingerichtet hatte. Inzwischen verrichte Gotham "insbesondere für die Visualisierung von Datensätzen" und der "Herausarbeitung neuer Ermittlungsansätze zur Unterstützung der zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten und in Drittstaaten" seine Dienste. Das Programm enthalte "operative personenbezogene Daten, die im Zusammenhang mit Ermittlungen und Operationen zur Terrorismusbekämpfung stehen" und im Einklang mit dem Rechtsrahmen von Europol verarbeitet würden.

"Ordnungsgemäß ermächtigte Europol-Bedienstete" arbeiteten mit Gotham "in einer getrennten und streng geschützten Betriebsumgebung", betont die Kommission. Die Polizeibehörde habe die Anti-Terror-Software nicht direkt bei Palantir eingekauft, sondern habe mit der Firma nur in einem "indirekten Vertragsverhältnis" gestanden. Als Unterauftragnehmer habe der niederländische Arm der Unternehmensberatung Capgemini fungiert.

Der Rahmenvertrag mit den Niederländern sei im Dezember 2012 unterzeichnet worden, schreibt Innenkommissarin Ylva Johansson weiter. Die Ausgabenobergrenze habe bei 7,5 Millionen Euro gelegen, der Gesamtbetrag der getätigten Ausgaben einschließlich der von Subauftragnehmern erbrachten Dienstleistungen sich auf rund vier Millionen Euro belaufen.

Nach Informationen von Netzpolitik.org verwenden die Europol-Ermittler Gotham voraussichtlich am Stammsitz Den Haag, um etwa Beziehungen zwischen Personen, Objekten oder Tathergängen zu errechnen und zu veranschaulichen. Dabei würden etwa Kontaktlisten, Tabellen aus Funkzellenabfragen und Reisehistorien mit "unstrukturierten", massenhaft vorliegenden Daten wie Fotos oder Ortsangaben verknüpft.

Europol habe in diesem Rahmen drei Analysedateien für islamistischen und allgemeinen Terrorismus sowie für "ausländische Kämpfer" eingerichtet. Darin würden umfangreiche Dossiers von Verdächtigen, aber auch von Kontaktpersonen oder etwa Reisebüros und Geschäften gespeichert. Die Dateien gehörten zum European Counter Terrorism Centre (ECTC) bei Europol. Über eine angeschlossene Suchmaschine könnten Beamte zugleich etwa das Europol-Informationssystem (EIS), das Analysesystem EAS und das verschlüsselte Kommunikationsnetzwerk Siena abfragen.

In Deutschland baut Hessen im Anti-Terror-Kampf auf Gotham. Kritiker etwa aus der Opposition monieren, dass mit dem entsprechenden Projekt "Hessendata" eine ungerechtfertigte Rasterfahndung einhergeht. Es sei unklar, welche Daten in die USA flössen, wo Palantir eng mit US-Sicherheitsbehörden wie der CIA sowie mit dem Militär zusammenarbeitet. Künftig will laut einem Bericht auch die Polizei Nordrhein-Westfalen Gotham einführen.

Zuletzt war das Unternehmen während der Corona-Krise an Behörden auch in Europa und Deutschland herangetreten mit einem Gratis-Angebot der Datamining-Software Foundry. Die hessische Regierung liebäugelte zunächst mit dem Einsatz des Programms, um ein besseres Lagebild von den Auswirkungen von Covid-19-Erkrankungen vor allem im Gesundheitssystem zu erhalten, entschloss sich letztlich aber dagegen. Auch beim Bundesgesundheitsministerium konnte Palantir mit einem Konzeptpapier nicht landen.

Nach Kenntnis der Kommission verwenden jenseits von Europol "keine weiteren EU-Agenturen Palantir-Software". Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA hat aber laut ihrem Jahresbericht 2017 Lösungen der Firma für 15 Millionen Euro für Fluglotsen und das Projekt Data4Safety beschafft.

(axk)