Neue Internet-Adresszonen: 1000, 100.000, viele ...

Nach jahrelangen Diskussionen hatte die ICANN Ende Juni 2008 grünes Licht für die Einführung neuer Adresszonen im Netz gegeben, die nahezu beliebige Endungen für die Top Level Domains ermöglichen sollen. Angesichts neuer Verzögerungen will die ICANN einen Überblick über mögliche Bewerber gewinnen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will bis zum Jahresende prüfen, ob sie in einem ersten formellen Verfahren einen Überblick über die Zahl der Bewerber für neue Top Level Domains (TLDs wie .berlin, .eco, .gay) gewinnen kann. Das beschlossen die Direktoren der ICANN zum Abschluss ihres Treffens in Seoul Ende vergangener Woche. Die potenziellen Bewerber würden dann aufgefordert, ihr Interesse für die unterschiedlichen neuen Adresszonen anzumelden. Die private Netzverwaltung reagierte mit dem Beschluss auf heftige Kritik an weiteren Verzögerungen des eigentlich fürs erste Quartal kommenden Jahres geplanten Bewerbungsverfahrens.

Nach jahrelangen Diskussionen hatte die ICANN Ende Juni 2008 grünes Licht für die Einführung neuer Adresszonen im Netz gegeben. Die ICANN-Direktoren akzeptierten ein Konzept, das das für generische TLDs zuständige Selbstverwaltungsgremium (GNSO) der ICANN erarbeitet hatte. Nach einer ersten Testrunde mit neuen TLDs im Jahr 2000 und einer kleineren zweiten Runde mit TLDs für spezielle Zwecke im Jahr 2004 soll damit ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com, .biz, oder .cat etabliert werden, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen sollen.

Dirk Krischenowski, CEO von dotBERLIN, die mit .berlin eine eigene Hauptstadt-TLD realisieren wollen, hatte beim ICANN-Treffen in Seoul erklärt, es sei wirklich ärgerlich, dass ICANN nach wie vor davon spreche, dass man zwischen 100 und 10.000 neuer TLDs erwarte. DotBERLIN, das inzwischen eine Reihe von Nachahmern in verschiedenen anderen deutschen Städten und in Bayern (.bayern) gefunden hat, vermeldete in Seoul, dass der Berliner Senat sein Plazet für die neue Hauptstadtdomain gegeben hat.

Zahlreiche Vertreter aus Deutschland, unter anderem vom Internet-Verband eco, appellierten in Seoul an die ICANN, den Start der neuen TLDs nicht weiter zu verzögern. Selbst der "ehrenwerte Prinz von Bayern", den sich das US-Unternehmen Minds and Machines als bayerische Gallionsfigur angelacht hat, kämpfe für sein .bayern, berichtete Bayern-Connect-Geschäftsführer Caspar von Veltheim. Der Wettstreit zwischen Minds and Machines/BayernConnect GmbH und dotBayern e.V. zeigt, dass in Deutschland einiges Interesse an neuen TLDs besteht.

ICANNs Direktoren räumten in ihrem Beschluss ein, dass offizielle Interessensbekundungen der jetzt ins Zulassungsverfahren gehenden nicht-lateinischen Länderadresszonen die Planung deren Einführung erleichtert habe. Einen ähnlichen Effekt erhofft man sich daher auch für die neuen generischen Adressen. Bevor man zur Tat schreitet, soll ICANNs Büro aber die juristischen Fallstricke durchdenken. Ob man mit den "Interessensbekundungen" dem eigentlichen Start näher kommt, ist fraglich. Allerdings würde das Verfahren ICANN auch erlauben, Nachfragen von Seiten der technischen Experten zu beantworten.

Zuletzt hatte das Internet Architecture Board, das Peer-Gremium der Internet Engineering Task Force, gewarnt, ICANN sollte neue generische Adressen nur zulassen, wenn es klare Regeln für einen Zulassungsstopp gebe. Die Experten befürchten angesichts der Unsicherheit über die zu erwartenden Bewerberzahlen, dass die Rootzone – das Herzstück der DNS-Infrastruktur – bei einem vollkommen offenen Bewerbungsverfahren überrannt werden könnte.

Offenbar als Antwort auf Bedenken von Seiten der Regierungen hat ICANN mittlerweile neue Adresszonen mit drei Buchstabenkombinationen ausgeschlossen, die in der ISO 3166 Alpha-3-Liste mit dreibuchstabigen Länder-Codes verzeichnet sind. Für Bewerber wie FFM oder LTU könnte es damit schwierig werden, warnte das von den dotBERLIN-Machern gegründete Beratungsunternehmen DotZON und sprach von einer inakzeptablen Landnahme durch die Regierungen.

Ganz oben auf der Arbeitsliste der Regierungen für 2010 stehen aber gar nicht mehr die TLDs, sondern vielmehr die in Seoul ebenfalls diskutierte "Verpflichtungserklärung" von ICANN und US-Handelsministerium. Die Verpflichtungserklärung löst die vertragliche Bindung der ICANN an die US-Behörden teilweise ab, auch wenn die Rootzone fest unter US-Aufsicht bleibt. Die ICANN soll in Zukunft aber gegenüber der gesamten "Internetgemeinde" Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen. Wie genau die Überprüfung der Organisation im Zusammenspiel zwischen Vertretern der verschiedenen Interessengruppen (ICANN-Vertragspartner, Nicht-Regierungsorganisationen und Regierungen) organisiert werden soll, das möchte man ebenfalls in den kommenden Monaten klären

Zur geplanten Einführung neuer Top Level Domains siehe auch:

(jk)