US-Behörden bestehen auf Zugang zu EU-Biometriedaten: Verhandlungen beginnen

Die EU-Kommission arbeitet an einem Machbarkeitsnachweis für die von den USA geforderten systematischen Transfers etwa von Fingerabdrücken zum Grenzschutz.

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(Bild: HQuality/Shutterstock.com)

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Die USA lassen nicht locker bei den Forderungen nach "kontinuierlichen und systematischen Transfers" von Daten zu Fingerabdrücken und weiteren biometrischen Merkmalen. Die Übermittlungen sollen von 2027 an die Voraussetzung für eine visafreie Einreise aus der EU sein. Die US-Regierung wollte eine solche "Partnerschaft für verstärkten Grenzschutz" von Anfang an über einen Deal für alle Mitgliedsstaaten durchsetzen. Die EU-Kommission ließ im November aber durchblicken, dass eine einschlägige transatlantische Arbeitsgruppe ihre Arbeit eingestellt habe. Die USA wollten ihre Forderungen demnach offenbar bilateral über Abkommen mit einzelnen EU-Ländern durchdrücken. Laut einem neuen Brüsseler Dokument ist aber wohl doch ein neuer übergreifender EU-US-Vertrag nötig, da bestehende Abkommen den begehrten Datenzugriff nicht abdecken.

Im Rahmen der von Washington verlangten "Enhanced Border Security Partnership" (EBSP) wären die Behörden in der Lage, "die Fingerabdrücke von Reisenden, die eine Einreise oder einen Einwanderungsstatus anstreben, mit ihren entsprechenden Straf-, Terror- und Identitätsregistern abzugleichen". Sie erhielten dann zahlreiche personenbezogene Daten, falls dabei ein Treffer erzielt würde. Eine solche Übereinkunft soll neue Bedingung für die zukünftige Teilnahme am Visa Waiver Programm (VWP) werden. Aktuell erlaubt dieses Programm über den vereinfachten ESTA-Antrag eine visumfreie Einreise in die USA.

Wie die damalige belgische Ratspräsidentschaft Anfang Juni in einem vertraulich eingestuften Papier an den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten (Coreper) schrieb, fordern zahlreiche EU-Länder die Kommission auf, "die Initiative zu ergreifen und ein entsprechendes Abkommen zwischen der EU und den USA abzuschließen". Washington habe "mehrfach und auf verschiedenen Ebenen klar bestätigt", dass der Abschluss einer solchen EBSP-Übereinkunft als nötig angesehen werde, betont die Ratsspitze in dem Dokument zum "Weg nach vorn", das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat.

Demnach informierte die Kommission Anfang 2023 die Delegationen über ihre Absicht, "gemeinsam mit den USA einen Machbarkeitsnachweis auszuarbeiten, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen". Dieser "Proof of Concept" habe mögliche Rahmenbedingungen für den Datenaustausch aufgelistet und sollte als Basis für weitere Diskussionen zwischen den beteiligten Seiten dienen, "um die Möglichkeiten und Grenzen im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Informationsaustausch zu ermitteln". Die erste Version des Vorhabens habe die Brüsseler Regierungsinstitution bei einem Workshop im Oktober 2023 vorgestellt. Eine überarbeitete Variante sei im Dezember dem Department of Homeland Security (DHS) vorgelegt und im Januar 2024 mit diesem erörtert worden.

Es bleibt aber noch vieles vage. "Trotz der Versuche in den letzten zwei Jahren, Einblick in die Situation zu gewinnen", konnten der Präsidentschaft zufolge "keine weiteren konkreten Schritte identifiziert werden". Dabei habe selbst der Juristische Dienst des Rates schon interveniert. Eine Informationsfreiheitsanfrage von Statewatch zur Herausgabe von Dokumenten zu der Machbarkeitsstudie lehnte die Kommission mit der Begründung ab, einschlägige Veröffentlichungen könnten die öffentliche Sicherheit und die internationalen Beziehungen gefährden.

Belgien hat vorgeschlagen, dass "die Kommission beispielsweise eine kommentierte Checkliste mit Bedenken entwickeln könnte". Eine solche wäre den Mitgliedstaaten dienlich gerade bei Fragen des Datenschutzes oder der Gegenseitigkeit des Informationsaustauschs, falls es doch zu Verhandlungen auf bilateraler Ebene kommen sollte. So könnten die EU-Länder auch "ihre Botschaften aufeinander abstimmen", was ihre Position gegenüber den USA stärken würde. Weiter stehe aber die "grundlegende Frage" im Raum, ob der von den USA beabsichtigte Datenaustausch nach EU-Recht überhaupt möglich ist: "Wir müssen die Angemessenheit der vorgeschlagenen Datenübermittlungen sorgfältig prüfen, insbesondere im Vergleich zu den Möglichkeiten des Informationsaustauschs zwischen EU-Mitgliedstaaten". Die Belgier haben das Dossier mittlerweile an die neue ungarische Ratspräsidentschaft übergeben, die dazu aber noch keine Debatte angesetzt hat.

(usz)