Neue Wende im Streit über das Abhörprogramm der US-Regierung

Laut einem Beschluss eines US-Bezirksgerichts kann die Bush-Regierung nicht weiter pauschal mit dem Hinweis auf Staatsgeheimnisse die Aufklärung der Lauschmaßnahmen der NSA und anderer Sicherheitsbehörden verhindern.

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Die US-Regierung kann nicht weiter pauschal mit dem Hinweis auf Staatsgeheimnisse die Aufklärung der Lauschmaßnahmen der National Security Agency (NSA) und anderer Sicherheitsbehörden unter dem Aufhänger der Terrorabwehr verhindern. Das geht aus einem jetzt veröffentlichten Beschluss (PDF-Datei) eines US-Bezirksgerichts hervor. Richter Vaughn Walker von dem für Nordkalifornien zuständigen Gericht befand, dass der Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) Vorrang habe vor dem Privileg der staatlichen Geheimhaltung. Die Bush-Regierung kann somit nicht weiter einfach gerichtliche Klagen gegen sie selbst oder gegen Hilfssheriffs der Regierungsbehörden wie Telekommunikationsfirmen niederschlagen, indem sie sich auf die Wahrung von Geheimnissen beruft.

In dem konkreten Fall geht es um die Klage der Al-Haramain Islamic Foundation gegen US-Präsident George W. Bush. Die islamische Einrichtung hatte durch ein Behördenversehen ein als vertraulich eingestuftes Dokument in die Hände bekommen. Demnach war sie Ziel einer richterlich nicht genehmigten Überwachung. Mit diesem vermeintlichen Trumpf in der Hand schlug die Organisation auf Grundlage des FISA den Rechtsweg ein. Die erste Instanz hatte die Klage aufgrund des Staatsgeheimnisarguments der US-Regierung zunächst abgewiesen. Das Berufungsgericht in San Francisco widersprach jedoch im November 2007 der Behauptung Washingtons, dass die Frage nach der Existenz des offenbar illegalen Überwachungsprogramms aufgrund des Geheimnisprivilegs nicht erforscht werden dürfe und verwies den Fall zurück an das Bezirksgericht.

Das belastende Schriftstück durfte die Klägerseite bei der weiteren Verhandlung laut dem Berufungsgericht aber nicht verwenden. Walker befand daher, dass die Stiftung erst noch nachweisen müsse, dass Mitglieder von ihr zu "geschädigten Personen" gemäß dem FISA-Wortlaut gehören. Er gab der Organisation einen Monat Zeit, entsprechende Belege noch nachzuliefern. Der Richter erwähnte aber auch kurz die rund 40 anderen Klagen auf Basis des US-Gesetzes zum Abhören der internationalen Telekommunikation, die unter anderem mit Hilfe der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) eingereicht worden seien. Hier hätten die Unterstützer der Kläger schon darauf abgestellt, "unabhängige Beweise" dafür zu haben, dass diese auch tatsächlich überwacht worden seien.

Die Bush-Regierung könne die Klagen gegen die Telcos nun nicht mehr mit einem Schlag vom Tisch wischen, freut sich die EFF über die Entscheidung. Zudem würde diese es den Hilfssheriffs erlauben, ihre Sicht der Dinge darzulegen und damit nicht gegen Staatsgeheimnisse zu verstoßen. Daher sei auch keine allgemeine Straffreiheitsklausel für die Telcos erforderlich, da diese sich nun besser verteidigen könnten. Die Bürgerrechtsorganisation ruft daher die US-Bürger einmal mehr dazu auf, sich bei ihren Senatoren gegen die Annahme einer FISA-Novelle mit einer Immunitätsregelung für die Helfer der US-Sicherheitsbehörden stark zu machen. Das US-Repräsentantenhaus hat bereits einen entsprechenden Gesetzesentwurf mit einer Persilschein-Klausel für die Telcos beschlossen. (Stefan Krempl) / (anw)