US-Senat verschiebt Abstimmung über neues Lauschgesetz

Über ein Dutzend Senatoren der Demokraten haben ein schon sicher geglaubtes Votum über die Erneuerung der weiten Lauschbefugnisse der US-Sicherheitsbehörden und eine Neudefinition von Massenvernichtungswaffen vorerst verhindert.

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Über ein Dutzend US-Senatoren aus dem Lager der Demokraten haben am gestrigen Donnerstagabend ein schon sicher geglaubtes Votum über die uneingeschränkte Erneuerung der weiten Lauschbefugnisse der US-Sicherheitsbehörden vorerst verhindert. Unter der Ägide von Christopher Dodd und Russ Feingold verzögerten die Angehörigen der Mehrheitsfraktion im Senat die Abstimmung über die umstrittene Novelle des US-Gesetzes zum Abhören internationaler Telekommunikation mit langen Redebeiträgen. Der von den Demokraten gestellte Mehrheitsführer, Harry Reid, entschloss sich schließlich, die Abstimmung über die Sitzungspause aufgrund des US-Nationalfeiertags am 4. Juli hinaus zu verschieben.

Die am meisten umkämpfte Passage in der geplanten Neufassung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) will den Gehilfen der National Security Agency (NSA) und anderer Sicherheitsbehörden einen Persilschein für ihre Teilnahme am Lauschprogramm der US-Regierung im Namen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ausstellen. Das US-Repräsentantenhaus hatte sich in diesem Sinne vor einer Woche auf einen vermeintlichen Kompromiss geeinigt. Er sieht vor, dass sich Hilfssheriffs wie Telcos in der Regel nicht vor Gericht wegen tiefer Grundrechtseingriffe beim Abhören von Telefongesprächen oder E-Mails verantworten müssen. Es soll ausreichen, wenn sie vor einem Bundesrichter mit einem Regierungsschreiben darlegen, dass sie ihre Überwachungsdienste im Auftrag Washingtons ausgeführt haben.

Feingold gab nach der Plenarsitzung seiner Hoffnung Ausdruck, dass die übrigen Senatoren über die Feiertage einen genaueren Blick auf das "mit schweren Fehlern behaftete" Gesetzesvorhaben (PDF-Datei) werfen. Es wäre hilfreich, wenn auch seine Kollegen erkennen würden, "wie sehr es die Bürgerrechte der Amerikaner gefährdet". Auch Dodd verwies noch einmal auf den "gefährlichen Präzedenzfall", den die Festschreibung der nachträglichen Straffreiheit für die in das Abhörprogramm einbezogenen Telekommunikationsanbieter setzen würde. Er kündigte an, bei der nächsten Abstimmungsrunde seine Änderungsvorschläge mit einzubringen, mit denen die Immunitätsregel ausgeklammert werden soll.

Andere Kritikpunkte an dem weit gestrickten Gesetzesentwurf hat Feingold in einer "Faktensammlung" zusammengefasst. Demnach soll die FISA-Novelle erst 2012 wieder außer Kraft gesetzt werden, kurz vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl. Zudem sei der Schutz vor einem Missbrauch der Befugnisse zum Abhören auch von US-Bürgern im Inland nicht ausreichend. Weiter erlaube der Vorstoß die massenhafte Sammlung und Auswertung aller internationaler Telekommunikation zu einem ganzen anderen Kontinent oder zum Rest der Welt, solange diese nur über US-Territorium laufe. Zu breit angelegt seien auch die Regelungen für "Gefahr im Verzug", bei denen das Justizministerium oder der Geheimdienstkoordinator keine Richteranordnung vorweisen müssten. Die Regierung dürfe zudem sämtliche ausgespähten Informationen selbst dann behalten, wenn die Abhörmaßnahme vom zuständigen Sondergericht für illegal erklärt worden sei.

Für Erstaunen vor allem bei Bloggern hat zudem eine in den Entwurf eingebaute Neudefinition von Massenvernichtungswaffen geführt. So würden künftig unter diesen Begriff sämtliche Waffen fallen, die eine "bedeutsame Anzahl an Personen" etwa durch die Freisetzung radioaktiver Strahlung, biologischer oder chemischer Kampfstoffe oder Explosionsmittel töten oder schwer verletzten könnte. Damit wäre die komplette Kriegsführung unter neuen Vorzeichen zu betrachten, fürchten Autoren von Web-Journalen. Eine Anhörung über solche Klauseln habe es nie gegeben.

Der US-Justizminister Mike Mukasey und der US-Geheimdienstkoordinator Mike McConnell haben derweil in einem Schreiben (PDF-Datei) an Reid klar gemacht, dass sie umfassende Änderungen an der Vorlage des Abgeordnetenhauses für die FISA-Reform nicht durchgehen lassen würden. Sollte der Entwurf des Senats keine Amnestieregelung für die Telcos enthalten oder auch nur eine genauere gerichtliche Prüfung der Regierungsanordnungen für die Übernahme von Abhörleistungen ins Auge fassen, würden sie US-Präsident George W. Bush bitten, sein Veto gegen das Vorhaben einzulegen. Es dürfe vor Gericht keine Bewertung der Handlungen der Regierung im Rahmen des Lauschprogramms erfolgen, betonen Mukasey und McConnell unumwunden. (Stefan Krempl) / (jk)