Neuer Schufa-Score: Aus 50 soll einer werden

Trotz der Transparenzinitiative der Schufa sind ihre Score-Werte noch komplex. Über 50 Scores sollen nun durch einen ersetzt werden im Sinne der Erklärbarkeit.​

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Schufa-Schriftzug auf Gebäude

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Die Schufa will im Rahmen ihrer 2022 gestarteten Transparenzinitiative das weite Feld ihrer Scores massiv verkleinern und damit leichter erklärbar machen. Bisher hat die Auskunftei weit über 50 solcher Gradmesser für die Kreditwürdigkeit im Einsatz. Diese sollen nun im Sinne der Nachvollziehbarkeit durch einen einzigen ersetzt werden, mit rund 10 bis 15 Einflussfaktoren. Damit will die Schufa künftig schon in ihrem online verfügbaren Score-Simulator veranschaulichen können, wie sich etwa ein Vertragsabschluss auf den Bonitätswert auswirkt. Bisher kann sie dazu nur sagen: "Das hängt vom individuellen Fall ab."

Einen ersten Einblick in dieses laufende Projekt Next Generation Scoring (NGS) hat die Schufa am Donnerstag gegeben. Als das Unternehmen mit seinem Score-Simulator losgelegt habe, sei leicht für alle Seiten erkennbar gewesen, dass dieser "nicht vollständig befriedigend" sein könne, erläuterte die Vorstandsvorsitzende Tanja Birkholz mit Blick auch auf Kritik aus der Politik. Dazu müsse man wissen, dass es nicht den einen Schufa-Score gebe, sondern allein sechs Branchenscores. Dazu kämen weitere für spezifische Geschäfte sowie "kundenindividuelle Scoremodelle", sodass man bei über 50 lande. Am bekanntesten davon sei der Bankenscore: 62 Prozent der Werte seien Branchen-Scores mit solchen Finanzhäusern.

Das bisherige System war Birkholz zufolge ausgerichtet auf "sehr gute Trennschärfe" und eine "besondere Prognosefähigkeit". Es sollte also vor allem zum Ausdruck bringen, wo wie hohe Ausfallrisiken liegen und zugleich einen Überschuldungsschutz für Verbraucher schaffen. Die Faktoren sind dabei je nach Modell unterschiedlich: Jeder einzelne kann unterschiedlich gewichtet sein. Als Brücke hat die Auskunftei daher den Schufa-Basisscore geschaffen, der seit 2006 in der Selbstauskunft ausgewiesen wird. Dieser spiele als "gewichtetes Mittel" in Entscheidungen aber "eigentlich keine Rolle", erklärte die Konzernchefin. Er habe aber Pate gestanden für den Simulator zusammen mit dem Banken-Score.

Mit dem seit 2022 laufenden NGS-Projekt verfolgt die Schufa nun den Anspruch: "Ein Score für alle." Ausgenommen bleiben nur die ganz individuellen Modelle. So soll sich online leicht durchspielen können, wie sich der Wert verändert, wenn ein Verbraucher noch einen Kredit aufnimmt oder eine Kreditkarte bei einer neuen Bank beantragt. Bisher kämen allein im letzten Fall sechs verschiedene Einflussfaktoren zum Tragen, berichtet Andre Muhle, Abteilungsleiter für Entscheidungsstrategien bei der Schufa. Dazu gehörten die Anzahl der Kreditkarten, das Alter der ältesten sowie die Menge der gespeicherten Bankverträge und Girokonten. Jeder dieser Faktoren sei "statistisch gesehen hochsignifikant". Im Zusammenwirken werde es damit komplex. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten sei dieses statistische Verfahren richtig, führe aber letztlich für alle Seiten zu einer unbefriedigenden Situation.

Dieses Gefüge will die Schufa mit NGS nun nachvollziehbarer machen, indem sie die genannten Wechselwirkungen beziehungsweise Interaktionen weitestgehend entfernt. Bei einem Kreditkartenantrag blieben dann "maximal zwei bis drei Einflussfaktoren", verdeutlichte Muhle anhand eines Balken-Linien-Diagramms für abgeschlossene Bankverträge. Der Anteil an Verbrauchern, die vier bis fünf besitzen, liege bei etwa 30 Prozent. Dazu werde eine Risikogruppe berechnet, wie viele der Endkunden nicht in der Lage sein dürften, ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen. Bis fünf Verträge bestehe kein großes Risiko. aber der sechste abgeschlossene führe zu einer Score-Verschlechterung.

Als Lösung, um das Modell zu vereinfachen, nannte Muhle, auf monotone Risikoverläufe zu setzen. Fast 90 Prozent der Verbraucher hätten im vorigen Jahr keinen Kredit abgeschlossen, was für ein unterdurchschnittliches Risiko spreche. Wenn jemand ein oder mehrere solcher Verträge eingegangen sei, ergäben sich "monoton steigende Risiken". Das sei einfacher nachvollziehbar.

Monotone Risikoverläufe sollen beim neuen Schufa-Score die Erklärbarkeit erhöhen.

(Bild: Schufa)

Die neue statistische Herangehensweise werde "noch einmal validiert" und auch extern wissenschaftlich begutachtet, versicherte Muhle. Es gebe "noch nicht den finalen Haken am abschließenden Modell". Die bisherigen Branchenscores seien 2016 auf historischen Daten von 2014 entwickelt worden, führte er aus. Aspekte wie der Wegfall der sogenannten Positivdaten im Telekommunikationsbereich seien zwischenzeitlich berücksichtigt worden. In NGS nehme die Schufa nun das auf, "was im Markt in letzten Jahren passiert ist", also vor allem die Zunahme von Vergleichsportalen sowie mehr Kleinstkredite und E-Commerce.

Allein diese "hätte schon zu einer signifikanten Verbesserung" des Scores geführt, stellte Muhle klar. Andererseits würden jetzt viele Aspekte wegfallen, "die wir als wenig erklärbar identifiziert haben". Also etwa die Zahl der Kreditkarten. Dies reduziere die höhere Trennschärfe wieder, sodass die Schufa im Endeffekt das Niveau zur Angabe des Risikos eines Zahlungsausfalls halten werde. Generell "bewegen wir uns weiterhin im Schufa-Datenkosmos", betonte der Insider. Externe Quellen beziehe man nicht ein. Die Variablen würden nach wie vor prinzipiell auch Ratenkredite, Kreditkarten oder Hypotheken berücksichtigen.

Auf komplexe Modelle mit Künstlicher Intelligenz (KI) werde die Schufa verzichten, hob Birkholz hervor. Diese wären mit einer erneuten "Einbuße bei der Erklärbarkeit" verknüpft. Es bleibe bei der bekannten logistischen Regression, mit der Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses auf Basis eines gegebenen Datensatzes unabhängiger Variablen geschätzt wird. Das Unternehmen habe zudem angefangen, Kunden bei Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung "Einblick zu geben in den vollständigen Algorithmus".

Birkholz will mit NGS Ende 2024 am Markt sein. Sie rechnet damit, dass es dann zwei bis drei Jahre dauern wird, bis Banken & Co. die Änderungen nachvollziehen und die nötigen Zertifizierungsprozesse bei der Aufsicht durchlaufen haben. Bis dahin sei es durchaus vorstellbar, dass ein Finanzhaus beide Score-Modelle parallel nutze: "eins produktiv, das andere für Checks". Auch der Schufa-Simulator werde nach und nach angepasst. Schon seit Mai enthalte dieser neue Szenarien, um Nutzern ein Gefühl für die Auswirkungen etwa des Wechsels eines Girokontos zu vermitteln. Im September werde über die Webseite ferner ein kostenloses Angebot zum Schutz vor Identitätsdiebstahl dazukommen, auch die Abo-Pakete würden ständig erweitert. Neben Englisch werde als zweite Fremdsprache Türkisch dazukommen. Alle Funktionen werde man zudem bald über eine App fürs Smartphone anbieten.

Einen Rückgang der Nachfrage nach Scores nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Problemen bei der Bonitätsprüfung musste die Schufa ihrer Chefin zufolge nicht erleiden. Man sei auf die Kunden zugegangen, "ein paar wenige haben Umstellungen in ihren Prozessstraßen vorgenommen". Die Auskunftei sieht sich generell eher als Mittler, deren Bonitätswert "kein K.o.-Kriterium" für Verträge mit Verbrauchern sein soll. Nach Berichten über massenhaften Betrug mit gestohlenen Kontodaten beim Kauf des Deutschlandtickets habe sich zudem das "ein oder andere Unternehmen" gemeldet. Betroffenen sei offenbar aufgegangen, was passieren könne, wenn man auf langwierige Bonitätsprüfungen und Schufa-Auskünfte verzichte.

(mki)