Nokia baut um und schließt Niederlassung

Der Handyhersteller will sich mit strukturellen Maßnahmen für den Wettbewerb rüsten und unterzieht Verkauf und Marketing sowie die Forschung einer Neuordnung, von der rund 600 Mitarbeiter betroffen sein sollen. Ein Standort in Finnland wird geschlossen.

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Schrumpfende Gewinne, schwindende Marktanteile und sinkende Handypreise machen Nokia zu schaffen. Der erfolgsverwöhnte Mobilfunkriese aus Finnland reagiert darauf mit "organisatorischen Veränderungen" sowie neuen Diensten und Handy-Modellen. Von den Maßnahmen, die der Konzern am heutigen Dienstag im finnischen Espoo ankündigte, sollen insgesamt rund 600 Mitarbeiter in der Forschung sowie in Vertrieb und Marketing betroffen sein.

Darüber hinaus wird die Niederlassung in Turku geschlossen. Die davon betroffenen 220 Mitarbeiter sollen wenn möglich auf Standorte in Salo und Helsinki verteilt werden. Das gelte auch für von den weiteren Maßnahmen betroffene Mitarbeiter, erklärt Vize-Personalchef Juha Äkräs in einer Mitteilung. "Unser Ziel ist, für so viele Mitarbeiter wie möglich einen alternativen Arbeitsplatz bei Nokia zu finden".

Entlassungen sind aber nicht ausgeschlossen. Die Verhandlungen mit Gewerkschaften seien am heutigen Dienstag aufgenommen worden. Die Maßnahmen sollen zum Jahresbeginn umgesetzt werden, die Schließung der Niederlassung in Turku werde bis Ende Januar 2009 erfolgen. Nokia hatte zu Jahresbeginn tiefgreifende Restrukturierungsmaßnahmen und die Verlagerung der Produktion angekündigt. Das Werk in Bochum, in dem 2300 Mitarbeiter Handys für den Konzern herstellten, wurde trotz heftiger Proteste Ende Juni geschlossen.

Wie der finnische Branchenführer darüber hinaus am heutigen Dienstag in Neu-Delhi mitteilte, sollen noch in diesem Jahr neue Modelle mit einem Preis zwischen 25 und 90 Euro auf den Markt kommen, die in Kombination mit speziell entwickelten Internetdiensten bei der Überwindung der "digitalen Kluft" zwischen Arm und Reich helfen sollen. Ab 2009 will Nokia dafür einen eigenen E-Mail-Dienst "Mail on Ovi" anbieten, der direkt auf dem Handy und ohne Umweg über einen PC eingerichtet werden kann. Unter dem Namen "Nokia Life Tools" soll gleichzeitig für ländliche Gebiete und Kleinstädte in Wachstumsmärkten ein einfacher und günstiger Internet-Zugang per Handy ermöglicht werden.

Mit dem Ausbau der Internet- und Mobildienste will sich Nokia unabhängiger vom Handygeschäft machen. Die vollmundig "Ovi" ("Tür") getaufte Plattform soll als zentrales Einfallstor ins Netz dienen. Bisher sind auf der vor einem Jahr erstmals vorgestellten Plattform ein paar Standarddienste für die Verwaltung von Kontakten und Terminen, Dateien oder Fotos sowie Nokia Maps versammelt. Der Music Store und die immer noch glücklose Spielemarke N-Gage sind nicht voll in die Plattform integriert.

Nokias Vorstoß ins Dienstegeschäft sorgt auch bei der Kernklientel für Stirnrunzeln. Die Netzbetreiber sehen hier eigenes Wachstumspotenzial und wollen den Kuchen nicht mit den Handyherstellern teilen. Das erklärt auch die Zurückhaltung großer Netzbetreiber wie Vodafone oder O2 gegenüber Nokias Musik-Angebot "Comes With Music", das in Großbritannien bei den kleineren Anbietern Carphone Warehouse und demnächst auch "3" zu haben ist.

Nokias Kerngeschäft gerät vor allem auf den satter werdenden westlichen Märkten unter Druck, wo mit teuren Handys und Smartphones aus der Business-Klasse höhere Margen erzielt werden können. Wachstum versprechen noch sogenannte Schwellenländer wie Indien und China. Allerdings können die Hersteller hier eher im niedrigen Preissegment punkten, was zu Lasten des durchschnittlichen Verkaufspreises im Konzern geht. Zudem sehen sich die westlichen Hersteller auf asiatischen Märkten starker Konkurrenz durch lokale Anbieter ausgesetzt. (vbr)