Nord Stream: Russland will die Pipelines offenbar stilllegen

Die zerstörten Pipelines Nord Stream 1 und 2 sollen offenbar eingemottet werden. Russland sieht laut einem Medienbericht keine Chance zur Reaktivierung.

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Archivbild vom Verlegen der Pipeline Nord Stream 2

Ein Bild aus besseren Zeiten: Die Verlegung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 aus der Vogelperspektive.

(Bild: Nord Stream 2 AG)

Lesezeit: 4 Min.

Russland plant laut einem Medienbericht offenbar, die schwer beschädigten Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 notdürftig abzudichten und stillzulegen. Angesichts anhaltender politischer Spannungen werde aktuell keine Perspektive gesehen, die direkte Verbindung zwischen Russland und Deutschland in naher Zukunft wieder in Betrieb zu nehmen. Von Reparaturplänen sei deshalb Abstand genommen worden.

Drei von vier Pipeline-Strängen wurden Ende September 2022 am Meeresgrund schwer beschädigt. Hauptbetroffen ist die Pipeline Nord Stream 1, die bis zum Sommer noch Erdgas nach Deutschland transportierte. Nord Stream 2 wurde hingegen niemals für den Betrieb zugelassen, war aber aus technischen Gründen mit Gas befüllt. Aus den zerstörten Leitungen konnten erhebliche Mengen des klimaschädlichen Methans entweichen.

Die US-amerikanische Nachrichtenagentur Reuters beruft sich in ihrem Bericht auf mehrere Quellen in Russland. Diesen zufolge sollen die offenen Enden der Leitungen geschlossen und eine Beschichtung aufgebracht werden, damit das Meerwasser die Schäden an den Leitungen nicht weiter vergrößert. Auf diese Weise hoffe Russland, die Pipelines bei Bedarf in Zukunft wieder reparieren und in Betrieb nehmen zu können.

Allerdings sei es auch in Moskau umstritten, dass es jemals dazu kommen wird. Durch den Bau neuer LNG-Infrastruktur und Veränderungen im Gasbezug konnte Europa in den vergangenen Monaten den Ausfall russischer Gaslieferungen nahezu ausgleichen. Da parallel dazu in Deutschland die Diskussion geführt wird, schnellstmöglich Erdgas durch Wasserstoff und andere regenerative Lösungen zu ersetzen, ist für die Zukunft eher ein sinkender Bedarf zu erwarten. Die Gas-Exporte des russischen Staatskonzerns Gazprom halbierten sich im Jahr 2022 infolge der stark reduzierten Gastransporte nach Europa. Weiterhin exportiert Russland aber über Landverbindungen in der Ukraine Gas in Richtung Westen.

Von den ermittelnden Ländern Deutschland, Dänemark und Schweden gibt es indessen weiterhin keine Neuigkeiten, wer hinter den Anschlägen auf die Pipeline stecken könnte. Russland bezichtigte zuerst Großbritannien und später die USA der Täterschaft. Das Land sah sich durch einen Artikel des US-Journalisten Seymour Hersh in seinen Anschuldigungen bestätigt, der basierend auf einer Quelle die USA als Täter bezichtigte.

Der dänische Datenanalyst Oliver Alexander hat indessen die Theorie aufgestellt, dass der eine Strang von Nord Stream 2 gar nicht durch eine Explosion, sondern durch Fehler beim Bau gerissen sei. Bis heute ist unklar, warum der zweite Strang von Nord Stream 2 verschont blieb und die andere Leckstelle nahe der dänischen Insel Bornholm 80 Kilometer weit von den anderen Explosionsorten entfernt liegt. Merkwürdig ist auch, dass der Schaden an Nord Stream 2 fast einen Tag vor den Explosionen an Nord Stream 1 auftrat.

Anhand öffentlich einsehbarer Daten legt Alexander dar, dass es bei Nord Stream 2 offenbar nur einen Bruch an einer Nahtstelle gegeben habe, während Nord Stream 1 auf einem längeren Abschnitt komplett zerstört wurde. Der Schaden an Nord Stream 2 könnte nach seiner Darstellung auf einen Wechsel des Dienstleisters im Jahr 2019 zurückgehen, der die Rohre von Nord Stream 2 in der Ostsee verlegte. Das vorherige Unternehmen habe die Arbeiten wegen US-Sanktionen einstellen müssen. Die darauf folgende russische Schiffsbesatzung habe Probleme bei der Fortsetzung der Arbeiten gehabt. Alexander vermutet, dass vielleicht eine vorbereitete Sprengung von Nord Stream 1 infolge des Schadensfalls vorgezogen wurde, um eine vorzeitige Entdeckung der Sprengsätze zu verhindern.

(mki)