Nvidia, Super Micro Computer & Co: Ist noch 1995 oder platzt die Blase wie 1999?

Mit KI assoziierte Unternehmen schießen an der Wall Street immer weiter in die Höhe. Vergleiche zur Dotcom-Blase werden gezogen.

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(Bild: Zakharchuk/Shutterstock.com)

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Nvidias Rekordquartal dürfte seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher haben. Was der 31 Jahre alte Chiphersteller bei Vorlage seiner Geschäftsbilanz für das vierte Quartal 2023 Ende vergangener Woche ablieferte, hat es in dieser Form noch nicht an der Wall Street gegeben.

Die Umsätze im Dreimonatszeitraum von Anfang Oktober bis Ende Dezember wurden mal eben von 6,05 auf 22,1 Milliarden Dollar gesteigert – ein enormer Erlöszuwachs von 265 Prozent. Noch exzessiver verlief die Gewinnsteigerung: um sage und schreibe 765 Prozent explodierte das Konzernergebnis – nämlich von 1,40 auf 12,28 Milliarden Dollar. Eine solche Beschleunigung der Geschäftsdynamik hat es bei Big-Tech-Konzernen im hohen Milliardenbereich noch nicht gegeben.

Entsprechend euphorisch reagierte die Wall Street und schickte die ohnehin seit vergangenem Jahr schon heiß gelaufene Nvidia-Aktie am vergangenen Donnerstag abermals um 16 Prozent nach oben. Es war ein Kursschub mit historischen Folgen: Dem Hersteller von Halbleitern und Rechenzentren gelang damit der größte Zugewinn nach dem Börsenwert innerhalb eines Handelstages – und zwar mit Abstand. Um enorme 277 Milliarden Dollar wurde Nvidia binnen 24 Stunden wertvoller – das entspricht in etwa dem gesamten Unternehmenswert von Netflix.

Mehr noch: Am Freitag knackte der Techpionier aus Santa Clara, Kalifornien, gar kurzfristig die Bewertungsmarke von 2 Billionen Dollar. Nur noch Microsoft, Apple und der Öl-Konzern Saudi Aramco sind wertvoller als der aufstrebende Chiphersteller – und lediglich 11 Volkswirtschaften nach ihrem Bruttosozialprodukt.

Der Grund für den enormen Absatz- und Börsenboom trägt zwei Buchstaben: KI – künstliche Intelligenz. Kein anderer Halbleiterhersteller hat sich frühzeitig mit seinen Data Centern besser für die neue Hype-Technologie positioniert als der von Jensen Huang geführte US-Konzern. "Wir schätzen, dass 40 Prozent des Umsatzes von Rechenzentren auf KI-Inferenz entfielen und nahezu jede Branche auf der Suche nach KI-Lösungen ist", kommentierte Huang im Anschluss an die Bilanz die Geschäftsentwicklung.

Der KI-Hype treibt unterdessen andere Techkonzerne an der Wall Street gar noch massiver an. Serverhersteller Super Micro Computer, wie Nvidia 1993 gegründet, profitiert von der engen Verbindung zum KI-Superstar. Das unter dem Tickersymbol SMCI an der Nasdaq gelistete US-Unternehmen stellt GPU-Systeme her, die auf der Referenzarchitektur von Nvidia basieren – entsprechend färbt der KI-Hype vom einen auf den anderen Silicon Valley-Konzern ab.

An der Wall Street macht Super Micro seinem Namen inzwischen alle Ehre und hat sich zur regelrechten Superstar-Aktie entwickelt, die sogar den Platzhirsch im KI-Segment outperfomt. Nach Bekanntgabe der bemerkenswerten Nvidia-Bilanz schossen die Anteilsscheine von Super Micro Computer um mehr als 30 Prozent empor. Seit Jahresbeginn beträgt das Plus mehr als 200 Prozent – auf Jahressicht waren für Anleger sogar 1000 Prozent drin. Untermauert wird der parabolische Kursanstieg durch den kurzzeitigen Sprung auf die 1000 Dollar-Marke – vor einem Jahr wechselten die Anteilsscheine noch für weniger als 100 Dollar den Besitzer.

KI-Aktien in einer Blase?

Sind Nvidia und Super Micro Computer nach den exorbitanten Kurszuwächsen damit so etwas wie die Wiedergänger der Interneteuphorie von 1999, nur im Gewand des KI-Hypes? Zumindest gemessen an den traditionellen Bewertungskriterien sind beide Aktien nach den massiven Kurszuwächsen der vergangenen zwölf Monate natürlich hoch bewertet.

Nvidia wechselt aktuell mit einem KGV von 33 den Besitzer, Super Micro gar mit einem KGV von 40. Das ist fraglos teuer, aber nicht absurd teuer, wie zur Millenniumswende, als Internet-Startups, die lediglich ein Dotcom im Namen trugen und horrende Verluste angehäuft hatten, tausend Prozent in die Höhe schossen. Auch Super Micro Computer konnte etwa im jüngsten Quartal eine Umsatzverdopplung auf 3,66 Milliarden oder eine Gewinnsteigerung von 68 Prozent auf einen Konzernprofit von 296 Millionen Dollar ausweisen.

Entsprechend angeregt debattieren Marktexperten aktuell darüber, ob – und wenn ja: wie weit – KI-Aktien aktuell überbewertet werden. "Die KI-Revolution beginnt mit Nvidia, und unserer Ansicht nach hat die KI-Party gerade erst angefangen", erklärte der viel zitierte Technologieanalyst Dan Ives von Wedbush Securities Ende vergangener Woche nach der Quartalsbilanz des Big-Tech-Giganten.

Der Staranalyst zieht dabei Parallelen zum Durchbruch der Internettechnologie Mitte der 90er-Jahre – und explizit nicht zum Höhepunkt der Euphorie 1999. "Dies ist ein Moment wie im Jahr 1995, da jetzt die KI-Revolution und mit ihr eine Billion Dollar an zusätzlichen Ausgaben im nächsten Jahrzehnt auf das Software-Ökosystem und den Rest des Technologiesektors treffen", schrieb Ives in einer aktuellen Analystennotiz.

Ives stellte in der Research-Note fest, dass die aktuellen Technologieaktien "nicht annähernd auf dem Niveau von 1999/2000 liegen, als die Dotcom-Blase platzte." Jene Ära, die in den Spekulationsexzessen von 1999 ihren Höhepunkt fand und im März 2000 mit einem lauten Knall platze, spiegelt eine "völlig andere Welt wider als die, die wir heute sehen", so Ives.

Ähnlicher Meinung ist auch der Finfluencer Tom Nash: "Die KI-Revolution ist am weitesten von einem Hype entfernt. Die Welt wird bald in diejenigen aufgeteilt, die es rechtzeitig geschafft haben, und diejenigen, die es nicht geschafft haben. Das wird ein größerer Quantensprung sein als die Erfindung des Internets", ist sich Nash bei X sicher.

Komplett anderer Meinung zumindest nach Bewertungskriterien ist dagegen der Vermögensverwalter Apollo Academy. Das amerikanische Assetmanagement-Unternehmen sorgte am Wochenende mit einem Researchpapier für Aufsehen, in dem Chefökonom Torsten Sløk darlegt, dass die "KI-Blase noch größer als die Tech-Blase der 90er-Jahre ist".

Begründung: "Die Top-10-Unternehmen im S&P 500" – von denen acht aus dem Technologiesektor kommen – "sind heute stärker überbewertet als die Top-10-Unternehmen während der Technologieblase Mitte der 1990er-Jahre", findet Sløk.

Wie die Apollo Academy vorrechnet, würde das 2024er KGV für die Top-10-Technologieaktien derzeit etwa das 40-fache des erwarteten Gewinns betragen. Im Vergleich: Im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase, betrug das erwartete KGV der Top-10-Technologieaktien etwa das 26-fache. "Befinden wir uns in der größten Blase aller Zeiten?", fragt sich daraufhin auch der Investment-Newsletter The Kobeissi Letter. Die nächsten Monate werden es zeigen …

(emw)