Online studieren: Geht doch!
Das Sommersemester beginnt am 20. April – und zwar ausschließlich digital. Einige Hochschulen kommen damit besser zurecht als andere.
Studieren wie gewohnt ist in diesen Tagen unmöglich. Bibliotheken sind geschlossen und der Präsenzunterricht abgesagt. Die meisten Hochschulen haben deshalb angekündigt, Präsenzveranstaltungen durch Online-Vorlesungen ersetzen zu wollen. Manchen wie der Hochschule Koblenz gelingt der Übergang aufgrund interner Konstellationen reibungslos und rasch. An der SRH Berlin University findet das komplette Semester digital statt, auch das hat gute Gründe. Die beiden Hochschulen sind Belege dafür, dass digital studieren funktioniert, und Professoren beider Einrichtungen sind davon überzeugt, dass Corona diese Art der Wissensvermittlung im Studium nachhaltig pusht.
Digitales Sommersemester
Anfang April haben sich die Wissenschaftsministerien von Bund und Ländern auf ein einheitliches Vorgehen bei der Gestaltung des Studiums im Ausnahmesommersemester 2020 geeinigt. Die wesentliche Botschaft ist: das Sommersemester geht am 20. April los – und zwar zunächst ausschließlich digital. "Die Geschwindigkeit, mit der diese Entscheidungen getroffen wurden und wie schnell sie umgesetzt werden sollten, hat uns überrascht“, sagt Professorin Daniela Braun, Vizepräsidentin der Hochschule Koblenz.
Während manche Hochschulen darüber rätseln, wie sie ein digitales Semester anbieten sollen, wird in Koblenz seit dem genannten Stichtag schon überwiegend digital studiert. "85 Prozent der Inhalte liegen digital vor und werden so angeboten“, sagt Braun. Die Hochschule Koblenz ist mit rund 10.000 Studierenden die größte in Rheinland-Pfalz. Und obwohl auf der Starseite der Koblenzer-Homepage steht: "… noch bis mindestens 4. Mai keine Präsenzlehre …“, wird das gesamte Semester virtuell laufen. "Das ist schon entschieden“, sagt die Vizepräsidentin. Für alle Fächer und Fachrichtungen.
Technische Basis ist die Lernplattform Open Olat des virtuellen Campus Rheinland-Pfalz. Dort können Text und Bewegtbild hochgeladen, Diskussionen im Dialog geführt und Vorlesungen gestreamt werden. Für Live-Meetings wurde die Plattform mit Zoom, einem Tool für Videokonferenzen und virtuelle Zusammenarbeit verknüpft. Studenten brauchen einen Laptop mit Internetanschluss und schon können sie loslegen und online lernen.
Fernstudium fördert Digitalisierung
Dass die Hochschule Koblenz gleich von Beginn des Semesters an einen so hohen Anteil digitaler Inhalte hat, liegt an der hochschulpolitischen Strategie der Digitalisierung. "Schon 2005 haben wir in den Sozialwissenschaften unseren ersten Online-Studiengang angeboten“, sagt Braun. Seitdem wurde die Digitalisierung immer weiter vorangetrieben – was an einer besonderen Zielgruppe der Hochschule liegt: der Anteil der Studierenden ohne schulische, dafür mit beruflicher Hochschulzugangsberechtigung liegt bei rund 25 Prozent. Das ist der höchste Wert unter allen Hochschulen in Rheinland-Pfalz.
Weil diese Praktiker parallel zum Beruf studieren, findet der überwiegende Teil im Fernstudium statt. "Deshalb haben wir schon 15 Jahre Erfahrung in der Online-Lehre, wodurch uns der Umstieg jetzt auf alle Studiengänge leichter als vielen anderen Hochschulen fiel“, sagt Braun. Einige Inhalte wurden bislang nicht digitalisiert, weil an technischen Lösungen für deren Umsetzung gearbeitet wird – Kommunikationskompetenz etwa, wo viel vis-a-vis geübt werden sollte.
Live-Vorlesungen mit Fragerunde
Braun ist Professorin für Medien, Ästhetik, Kommunikation und lehrt digital im Master Kindheits- und Sozialwissenschaften. Die 90 Studenten hat sie in vier Gruppen aufgeteilt, weil es online sonst zu viele wären. Ihre Vorlesungen werden live übertragen und jeder Studierende kann sich beteiligen, etwa Fragen stellen. Kollegen von ihr haben Vorlesungen aufgezeichnet und stehen in einer definierten Zeit für Nachfragen bereit. Neben Vorlesungen werden Einführungen in Fächer wie Physik digital angeboten. Die sind mit Filmen verknüpft und es können Zwischenprüfungen geschrieben werden, die im Anschluss digital ausgewertet werden. "Wir Professoren haben uns viel Arbeit gemacht mit unserem digitalen Lehrangebot und werden das nach Corona weiter modifizieren“, kündigt Braun an.
Präsenzlehre kann und wird der Online-Unterricht nicht ersetzen, aber die Professoren aus Koblenz haben Vorteile des E-Learning kennen und schätzen gelernt. "Das wird bei uns künftig zu Hybrid-Lösungen führen, bestehend aus einem Mix von Präsenz- und Online-Studienformaten“, so Braun. Prüfungen wird es in diesem Semester in Koblenz wenn überhaupt, dann nur geben, wenn sich die Studierenden freiwillig anmelden.
Berliner Hochschule: alle Veranstaltungen online
An der Berlin School of Design and Communication, eine School der SRH Berlin University, werden zum Semesterende alle Prüfungen stattfinden. "Ob an der Hochschule oder vor dem Laptop zu Hause, wird die Zeit zeigen“, sagt Gabor Kovacs, Professor für angewandte digitale Medien und Leiter des Studiengangs Web-Development. Die SRH Berlin ist eine von acht privaten Hochschulen und einer Universität in Deutschland der Stiftung Rehabilitation Heidelberg, kurz SRH. Alle Veranstaltungen an der Hochschule in Berlin finden in diesem Semester online statt.
Über das Campus-Management-System werden die Veranstaltungen geplant, das ist synchronisiert mit dem Kollaborationstool Microsoft Teams. Für jede Vorlesung wird ein Team erstellt und alle Mitglieder automatisch eingeladen. Ob die Vorlesung ankommt, darüber entscheidet die Art der Präsentation der Inhalte. "Online-Vorlesungen müssen abwechslungsreicher als Präsenzvorlesungen sein, weil es sonst schnell öde wird und die Studierenden demotiviert“, sagt der ausgebildete Kommunikations-Designer und Medienpädagoge Kovacs. Drei Stunden Powerpoint-Präsentationen in einem Onlinemeeting machen jeden Menschen müde.
Er lehrt im Fach Kommunikationsdesign in 12 Modulen und hat etwa 15 Studenten in einer Vorlesung. Zunächst gibt er einen Überblick was folgt, teilt die Gruppe dann in drei Teams ein, gibt beispielsweise zwei Teams eine Aufgabe und etwa 20 Minuten Zeit für deren Bearbeitung, während er sich live mit einer Gruppe beschäftigt. So wechselt er die Teams durch und gibt zwischendurch Feed-back zu den Gruppenarbeiten. Zum Schluss wird gemeinsam eine Zusammenfassung der Sitzung erstellt.
Anspruchsvoller als Präsenzunterricht
"Online-Vorlesungen sind für Professoren intensiver als Präsenzunterricht, weil anspruchsvoller in der Präsentation“, sagt Kovacs. Die Technik hält er für so gut, dass alle Inhalte online mindestens genauso gut gelehrt werden können wie in Frontalvorlesungen. "Wenn man den Aufwand nicht scheut.“ Kovacs geht davon aus, dass aufgrund der Erfahrungen mit der Online-Lehre die Akzeptanz und Nachfrage nach digitalen Medien steigen wird und dass Präsenz künftig mehr geschätzt wird nach Zeiten der Isolation.
Die Berliner Hochschule war mit ihrem Online-Angebot schnell und umfassend am Markt, weil sie als private Institution von den Studiengebühren ihrer Studierenden lebt. Keine Vorlesungen hätten keine Einnahmen zur Folge gehabt. (tiw)