Open-Access-Publishing expandiert
BioMed Central verlegt jetzt auch wissenschaftliche Fachzeitschriften der Physik und Mathematik, bei denen der Online-Zugang für die Nutzer unentgeltlich ist.
Veröffentlichungskosten sind Bestandteil der Projektkosten, und anstelle der von den Lesern oder Bibliotheken erhobenen Abonnementgebühren finanzieren die Autoren oder ihre Forschungseinrichtung die Publikation der wissenschaftlichen Fachaufsätze – aus dieser Formel hat der Londoner Verlag BioMed Central Ltd. ein Geschäftsmodell gemacht. Es steht mit den von der Open-Access-Bewegung in den so genannten BBB-Deklarationen von Bethesda, Budapest und Berlin artikulierten Forderungen zum uneingeschränkten und unentgeltlichen Zugang zu den Ergebnissen der öffentlich finanzierten Forschung in Einklang.
Der 1998 gegründete Verlag verfügt bereits über ein Portfolio von 176 angesehenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften mit dem Schwerpunkt in der Biologie und Medizin wie beispielsweise Bioinformatics, Molecular Biology und Genomics, die den Lesern auf der Grundlage von den Autoren entrichteten Artikelgebühren frei zugänglich sind. Jetzt hat Der Verlag für dieses Jahr die Gründung sieben weiterer Journale in den Fachdisziplinen Physik, Mathematik und Informatik angekündigt. Auf dem Web-Portal PhysMath Central können von diesem Monat an in den drei neuen Zeitschriftenreihen "PMC Physics A" (für die Fachgebiete Elementarteilchen-, Hochenergie- und Kernphysik, Kosmologie, Gravitation), "PMC Physics B" (Atom- und Molekularphysik, Optik, Quantenphysik, Halbleiter und Supraleitung) und "PMC Physics C" (Biophysik, Plasmen und Fluide, Komplexe Systeme und Statistische Mechanik) Beiträge eingereicht werden; die anderen Zeitschriften sollen später folgen.
Die Seiten- oder Artikelgebühren, die PhysMath Central zur Finanzierung des Publikations-Workflow, der Archivierung und insbesondere der Organisation der wissenschaftlichen Begutachtung durch Fachkollegen – das so genannte Peer Review – erheben wird, hat der Verlag noch nicht bekannt gegeben. Bei den biomedizinischen Zeitschriften liegen die Autorengebühren pro Artikel derzeit im Mittel bei 750 Pfund (1.105 Euro) und bewegen sich im einzelnen zwischen 1.200 Pfund (1.765 Euro) beim Journal of Biology und 250 Pfund (370 Euro) für einen Aufsatz im Journal of Medical Case Reports. Die Veröffentlichungen der Forscher stehen unter der Creative Commons Attribution License, die den Lesern das Downloading und die unbeschränkte Weiterverbreitung erlaubt, sofern die Originalarbeit korrekt zitiert wird.
Mit der Option, gegen eine Gebühr den Link zum elektronischen Volltext des betreffenden Artikels freizuschalten, haben auch die etablierten Wissenschaftsverlage bereits auf die Open-Access-Bewegung reagiert. Die Marktführer Elsevier, Springer und Wiley verlangen dafür von den Autoren eine Einmalzahlung von 3.000 US-Dollar (2.320 Euro). Zahlreiche Forschungsorganisationen haben ihre Förderrichtlinien bereits dahingehend geändert, dass sie die Finanzierung der Veröffentlichungskosten aus den Projektmitteln zulassen, so beispielsweise die National Science Foundation und die National Institutes of Health in den USA oder hierzulande die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft.
Zum Open-Access-Modell für wissenschaftliche Veröffentlichungen siehe auch:
- EU-Kommission fördert Open-Access-Publikationen
- BAM, BGR und PTB für freien Zugang zu Fachveröffentlichungen
- Petition für offenen Zugang zu Forschungsergebnissen in der EU
- Wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht gefordert
- Verleger trommeln weiter gegen die Urheberrechtsreform
- Texanische Universität propagiert die "Content Commons"
- Wissenschaftliche Ergebnisse des Forschungszentrums Jülich online verfügbar
- Über die Ketten der Wissensgesellschaft, Der Kulturkampf über den Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen verschärft sich, c't 12/06, S. 190
- Mit Hochschul-Publikations-Servern aus der Zeitschriftenkrise
- US-Gesetzesinitiative für freien Zugang zu Forschungsergebnissen
- EU-Konsultation zum wissenschaftlichen Publikationswesen
- Rechtlicher Leitfaden für die Praxis
- Auf dem Weg zu einem neuen Publikationsmodell für die Wissenschaft
- Forschungsdaten sollen leichter zugänglich werden
- Open-Access-Journale mit Startschwierigkeiten
- DFG legt Studie zu Open Access vor
- Universität Bielefeld für "Open Access"
- "Open Access" als Publikationsalternative unter Wissenschaftlern kaum bekannt
- Nobelpreisträger für "Open Access"
- Britische Parlamentarier für Open Access
- CERN unterstützt Open Access
- Wissenschaftsorganisationen bekennen sich zum Internet-Publizieren
(Richard Sietmann) / (jk)