"Partner bei Kriegsverbrechen": Ex-EU-Kommissar wettert gegen Eutelsat
Der EU-Abgeordnete Andrus Ansip erhöht den Druck auf den Satellitenbetreiber Eutelsat, russische Staatssender wie Perwy kanal nicht länger zu übertragen.
Der französische Satellitenbetreiber Eutelsat muss sich schwere Vorwürfe anhören, dass er weiter russische Staatssender wie den Ersten Kanal (Perwy), Rossija 1 und NTV in seinem Angebot hat und damit bei der Verbreitung von Kreml-Propaganda hilft. Andrus Ansip etwa, der bis 2019 als Vizepräsident der EU-Kommission für den digitalen Binnenmarkt zuständig war, ließ das Unternehmen gerade wissen: "Durch Untätigkeit wird man in den Augen der Menschen, die ich vertrete, als Partner bei Kriegsverbrechen wahrgenommen."
"Eine SchlĂĽsselrolle in hybridem Krieg"
Eutelsat strahle weiterhin Inhalte aus, "die zu Hass, Gewalt, Ermordung von Führern und Journalisten und zum Völkermord an ukrainischen Kindern aufrufen", schrieb Ansip am Mittwoch an die Konzernchefin Eva Berneke. Das Online-Portal "Politico" hat den Brief veröffentlicht. Die monierten Kanäle "zeigen Zwangsinterviews und entwürdigende Bilder von Kriegsgefangenen, befürworten den Einsatz von Atomwaffen und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine, um das ukrainische Volk zum Exodus in die EU zu zwingen". Viele der präsentieren Aussagen stellten Verbrechen dar, die unter die Grundrechtecharta und andere internationale Konventionen fielen.
Andere Unternehmen hätten unabhängig von den im März verhängten EU-Sanktionen "ernsthafte Schritte unternommen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden", erklärt der EU-Abgeordnete weiter. Eutelsat habe dagegen beschlossen, "die Zusammenarbeit mit russischen Partnern fortzusetzen, wohl wissend, dass Sie als Satellitenbetreiber in diesem hybriden Krieg eine Schlüsselrolle spielen". Dies zeugt von einem völligen Mangel an Empathie für die unter dem Krieg leidende Bevölkerung und von einer völligen Ignoranz gegenüber den internationalen Verurteilungen der Handlungen der Russischen Föderation.
Unabhängigkeit, Souveränität und innerer Sicherheit
Eutelsat sende auch nach wie vor die arabische Version von Russia Today (RT) über die Satelliten 8 West B und 7 West A, zeigt sich Ansip enttäuscht. Berneke hatte zuvor in ihrer Antwort auf ein erstes Mahnschreiben des Esten angemerkt, dass einige der russischen Pay-TV-Pakete in Europa nur mit nicht autorisierten Benutzerterminals und entsprechenden Karten zu sehen seien. Der Satellitenbetreiber habe sich über diesen illegalen Markt aber nie beschwert, kontert Ansip. Offenbar profitierten Partner des Konzerns sogar davon. Zudem vermarkte dieser Plattformen wie NTV Plus and Trikolor in den okkupierten ukrainischen Gebieten Krim und Donbass.
Die Verweise Bernekes auf das Neutralitätsprinzip und einen ethischen, auch für Geschäftspartner geltenden Kodex lässt das Mitglied der liberalen Renew-Fraktion nicht gelten. So sei Eutelsat etwa nicht eingeschritten, als zwei Vertriebsplattformen in Russland den lettischen Sender Doschd (Dozhd) aus dem Programm nahmen. Ferner hinterfragt Ansip die jüngst beschlossene, aber noch nicht von den Behörden freigegebene Fusion Eutelsats mit dem britisch-indischen Satelliteninternet-Betreiber OneWeb in puncto Unabhängigkeit, Souveränität und innerer Sicherheit.
Zensur? – Verbot von Kooperationen gefordert
Für erklärungsbedürftig hält es der Ex-Kommissar auch, warum staatliche Betreiber von zivilen Kommunikationssatelliten in Russland, die Russian Satellite Communications Company (RSCC) Anteile an Eutelsat direkt hält. Zudem seien die Sicherheitsimplikationen eines Vertrags mit Gazprom zur Beobachtung von Gaspipelines durch den Breitbandsatellitendienst Konnect offen. Schließlich erinnert Ansip Berneke daran, dass selbst die lange widerspenstigen Betreiber sozialer Netzwerke inzwischen nicht länger versuchten, die Verantwortung für strafbare und schädliche Inhalte auf die Regulierungsbehörden abzuwälzen.
Frankreich hat einen Anteil von 20 Prozent an Eutelsat. Laut "Politico" bezeichnete auch die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, das Verhalten des Unternehmens in dieser Woche als "beschämend". Ansip forderte auf Twitter eine dringende Novelle der Richtlinie für audiovisuelle Medien, um europäischen Satellitenbetreibern eine Kooperation mit Anbieter zu verbieten, die mit russischen Behörden in Verbindung stehen. Die Verbreitung von Kriegspropaganda durch EU-Unternehmen müsse ferner auch außerhalb der Gemeinschaft untersagt werden.
Der österreichische Autor und Zensurgegner Hannes Hofbauer kritisierte dagegen jüngst, schon das Abstellen von RT Deutsch im Dezember sei ohne rechtliche Grundlage erfolgt. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg habe mit reinen Machtspielen erwirkt, dass Eutelsat den Sender "aus dem Orbit genommen hat". Ein ähnliches Szenario habe der serbische Sender RTS im Mai 1999 erleben müssen, "nämlich die Abschaltung seines Satellitenprogramms auf Eutelsat mitten im Nato-Krieg gegen Jugoslawien".
(bme)