Privatsender drohen Kabelnetzbetreibern mit "Schwarzblenden"

Weil die Kabelnetzbetreiber keine Urheberrechtsabgaben an die Verwertungsgesellschaften mehr zahlen, drohen die Sender mit drastischen Maßnahmen bis zu kurzen Unterbrechungen des Programms.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 149 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Jürgen Doetz fährt schweres Geschütz auf. "Vertragsbruch", "Affront", "Skandal". Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) macht den deutschen Kabelnetzbetreibern im Interview mit dem evangelischen Pressedienst (epd) schwere Vorwürfe. Die Kabelbranche, allen voran Kabel Deutschland (KDG), ish/iesy (Unity Media) und Kabel BW, führe seit dem Jahreswechsel ihre Urheberrechtsabgaben nicht mehr ab. Nicht an die VG Media, die Verwertungsgesellschaft der Privaten, und nicht an die GEMA, die Gelder für die öffentlich-rechtlichen Sender einsammelt. Auch andere Verwertungsgesellschaften wie die GVL bekommen kein Geld mehr. Das wollen sich die Privaten nicht bieten lassen und kündigen Konsequenzen an. Dazu sind sie offenbar auch bereit, den Streit auf dem Rücken der Zuschauer auszutragen: Doetz droht damit, das Programm notfalls mit "Schwarzblenden" zu unterbrechen.

Die Kabler können das laute Säbelrasseln nicht verstehen. Die Branche dementiert die Zahlungsverweigerung nicht und meint, das sei ein ganz normaler Vorgang. Das hört man sowohl beim Deutschen Kabelverband, der hauptsächlich die Interessen der großen Kabelanbieter KDG, Unity und KabelBW vertritt, als auch beim Verband deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA), in dem sich vor allem lokale Anbieter der Netzebene 4 und kleinere Betreiber von Netzen organisieren, die nicht direkt betroffen sind. Die Vorwürfe des VPRT richten sich primär gegen die großen Drei der Branche. Sie seien aber "so nicht ganz zutreffend", wie der Geschäftsführer des Kabelverbandes Ralf Heublein gegenüber heise online erklärte. Grund für den Zahlungsstopp seien vielmehr ausgelaufene Verträge, um deren Verlängerung noch gerungen werde. "Das ist plumpe Augenwischerei", kontert Doetz auf Nachfrage. Abgesehen von den Verträgen hätten die Kabelnetzbetreiber auch eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung.

Im Kern geht es darum, wer wieviel an wen zu bezahlen hat. Es geht um viel Geld: Allein für die Privaten stehe "ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag pro Jahr" zur Disposition, rechnet Doetz vor. Das halten Kenner der Materie für etwas hochgegriffen, sie schätzen den Topf für alle Verwertungsrechte auf rund 60 Millionen Euro oder etwas mehr – für Private, Öffentlich-Rechtliche und andere Anspruchssteller zusammen. Das Gezerre um diese Gelder wird von einer unklaren Gemengelage begünstigt: Das Gesetz regelt nur, dass die Kabelnetzbetreiber für die Durchleitung des Programms eine angemessene Vergütung zahlen muss. Wieviel das ist, legen die Verwertungsgesellschaften in ihren Tarifen fest – also die Branche selbst. Spätestens hier fängt der Streit an. Schon den aktuellen Tarif der für die Privaten zuständigen VG Media (er liegt je nach Plattform und Vertragsbedingungen zwischen 1 und 2,5 Prozent der Bruttoumsätze) zahlen die großen Kabelgesellschaften nicht.

Bisher bestand offenbar eine Interimsregelung, nach der die Kabelnetzbetreiber einen ermäßigten Tarif zahlen, bis der Streit geklärt ist. Den Kablern geht es dabei nicht nur um die Höhe der Zahlungen, sondern auch um die Grundsatzfrage, ob sie in bestimmten Bereichen überhaupt zahlen müssen. Unter anderem monieren sie die Mehrfachhonorierung der Urheberrechte und verweisen auf ihre Rolle als reiner Zugangsanbieter. Die Netzbetreiber würden inzwischen "ganz offen bestreiten, dass die Durchleitung des Sendersignals eine urheberrechtlich relevante Nutzung ist", beklagt der Justiziar des VPRT, Claus Grewenig. Klärung könnte auch eine Neuregelung im Rahmen der Urheberrechtsreform ("2. Korb") bringen. Zunächst muss sich aber das Patentamt mit dem Problem beschäftigen. Die VG Media hat den Streit jetzt vor die Schiedsstelle des Bundespatentamtes gebracht, der in Urheberrechtsfragen ersten Instanz vor einem Gericht. Dort liegen die Anträge der Streithähne in dicken Kladden auf dem Tisch, mit einem Antrag der GEMA wird ebenfalls gerechnet. (Die GEMA war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.) Die Verhandlung ist voraussichtlich im Sommer, ob aber in diesem Jahr noch eine Entscheidung fällt, ist fraglich. Weiter zahlen müsse die Kabelbetreiber trotzdem, fordert Doetz.

So steht erst mal Zahlungsverweigerung gegen Schwarzblendendrohung. Doch neben der Grundsatzfrage geht es auch um Verteilungskämpfe und das kommende Urheberrecht. Insider räumen ein, dass es an der grundätzlichen Zahlungsverpflichtung auch in der Kabelbranche keinen Zweifel gibt. Schließlich treten die Kabelunternehmen inzwischen auch als Programmanbieter auf. Zudem sei die in der Vergangenheit praktizierte Lösung doch ganz angemessen gewesen. Mehr will man aber in Zukunft auch nicht zahlen. Diskret kommt da der Hinweis auf die geänderten Verhältnisse bei einigen großen Privatsendern. Die neuen Eigentümer aus der Heuschrecken-Branche würden wohl an allen Stellschrauben drehen, wenn es um Renditesteigerung gehe. Die Privaten bestehen dagegen auf einer angemessenen Vergütung. Sie wollen nun auch von den Pauschalabgaben für Leermedien ihren Anteil. Dafür streiten sie derzeit auf Bundesebene ebenso wie auf der europäischen Bühne. Es bleibt also spannend. Besonders für die gemeinsamen Kunden beider Streithähne, die Zuschauer. Bei jedem kleinen Ausfall des Kabelsignals können nun Wetten abgeschlossen werden, ob es sich um eine technische Störung handelt oder die Privaten den Schalter umgelegt haben. (vbr)