Pro und Contra: Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?
Arbeitnehmer sollen einen rechtlichen und dauerhaften Anspruch auf Homeoffice bekommen. Was spricht dafĂĽr, was dagegen? Gute Argumente auf beiden Seiten.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, plant einen dauerhaften Rechtsanspruch auf Homeoffice für Beschäftigte. Mit modernen Regeln für mobiles Arbeiten soll Homeoffice in die Arbeitswelt integriert werden. Nach Heils Plänen sollen die Unternehmen ihren Beschäftigten künftig Arbeiten von zu Hause aus möglich machen, sofern sie nicht zwingend im Betrieb anwesend sein müssen, etwa wenn die Tätigkeit von zu Hause aus nicht möglich ist. Das Recht auf Homeoffice soll flexibel sein, sodass auch gelegentliches Arbeiten von zu Hause aus möglich ist. Ein Ausufern der Arbeit von zu Hause will Heil eingrenzen, indem es auch daheim einen Feierabend gibt.
Arbeitgeber und deren Verbände lehnen einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice ab, Gewerkschaften befürworten ihn. Wir haben Kontrahenten um Stellungnahmen zum geplanten Gesetz gebeten. Anja Piel, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds argumentiert pro, Achim Berg, Präsident des Bitkom contra Homeofficerecht.
Anja Piel, DGB-Bundesvorstandsmitglied: "Der Rechtsanspruch auf Homeoffice ist richtig"
Mit der Corona-Pandemie wurde das Arbeiten von zu Hause für viele Menschen Alltag. Natürlich ist Homeoffice nicht in jedem Job eine Option. Doch die alte Behauptung vieler Arbeitgeber, dass Homeoffice in vielen Berufen grundsätzlich nicht möglich sei, hat die Realität längst widerlegt. Dennoch zeigen Befragungen: Zwei Drittel der Arbeitgeber wollen nach der Pandemie wieder zurück zum alten Status quo. Die allermeisten Beschäftigten, die jetzt im Homeoffice arbeiten, wollen allerdings nicht zurück auf Los.
Zwar ist Homeoffice in der Pandemie oft nicht wirklich freiwillig und im Dauerzustand auch vielfach eine Belastung. Trotzdem wollen viele für die Zukunft ein anderes "New Normal": Sie wünschen sich einen gesunden Mix aus Zeit am betrieblichen Arbeitsplatz und Zeit, in der sie auch mobil oder im Homeoffice arbeiten können. Die Vorteile für die Beschäftigten liegen auf der Hand: Mehr Flexibilität und weniger Stress durch lange Arbeitswege – statt unproduktiver Zeit im Stau oder in Bus und Bahn, lassen sich Arbeit, Leben und Familie besser miteinander verbinden. Gleichzeitig hat die Pandemie aber auch die Schattenseiten des Homeoffice aufgedeckt. Oft führen Überstunden zu unmöglichen Tageszeiten, permanente Verfügbarkeitserwartungen der Arbeitgeber und schlechte Ausstattung im Homeoffice zu erheblichem Stress.
Deshalb kommt die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Heil für verlässliche Regelungen mit einem Rechtsanspruch der Beschäftigten auf Homeoffice genau richtig. In der großen Koalition hatte die Union noch blockiert. Die Ampel-Koalition muss den Beschäftigten jetzt den Rücken stärken – und zwar auf mehreren Ebenen: Damit sie ihre Ansprüche gegen unwillige Arbeitgeber besser durchsetzen können, brauchen sie einen verbindlichen Rechtsanspruch.
Bei der Einführung von Homeoffice müssen Betriebsräte verbindlich mitreden. Außerdem muss der Gesundheitsschutz auch im Homeoffice ernst genommen und deshalb geregelt werden. Dafür braucht es eine ordentliche Ausstattung, moderne Technik und Regeln gegen Entgrenzung von Arbeit. Das überfordert keinen Arbeitgeber. Im Gegenteil: Im besten Fall sind Beschäftigte zufriedener, gesünder und produktiver. So wird New Normal zur Win-win-Situation.
Achim Berg, Bitkom-Präsident: "Ein Recht auf Homeoffice schießt übers Ziel hinaus"
Unsere Arbeitswelt hat sich in der Pandemie so rasant gewandelt wie in Jahrzehnten nicht. Es ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Und die Zukunft der Arbeit ist digital. Damit wird auch eine sehr grundsätzliche Frage erstmals wirklich gestellt: Was ist überhaupt Arbeit? Definiert sie sich durch den Zweck, den Ort, Abhängigkeitsverhältnisse, Formen und Ausmaß von Anerkennung, Grade von Selbstbestimmung? Klar ist: Unabhängig von Zeit und Ort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird zum Standard.
Arbeitgeber wie Beschäftigte machen in der Pandemie mit dem Homeoffice vorwiegend gute Erfahrungen: Während Betriebskosten sinken, steigen in vielen Fällen Produktivität und Zufriedenheit. Eine funktionierende digitale Ausstattung und Infrastruktur vorausgesetzt, stehen die Arbeitsergebnisse im Homeoffice der klassischen Präsenzarbeit in nichts nach. Das muss auch mit einem Wandel in der Arbeitskultur einhergehen. Statt übermäßiger Kontrolle ist aufseiten des Arbeitgebers vor allem Vertrauen gefragt. Auf Seiten der Beschäftigten erfordert flexibles Arbeiten ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation.
Wir sind mittendrin in diesem Lernprozess. Um der modernen Arbeitswelt zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es kein Recht auf Homeoffice. Wie, wann und wo gearbeitet wird, sollte den Unternehmen und den Beschäftigten überlassen werden. Niemandem ist geholfen, wenn künftig Gerichte darüber entscheiden, wie in Unternehmen gearbeitet wird.
Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels haben Beschäftigte heute eine extrem starke Verhandlungsposition gegenüber ihrem Arbeitgeber. Statt eines Rechtsanspruchs braucht es eine Modernisierung des Arbeitsrechts, um dem digitalen Zeitalter gerecht zu werden, etwa mit mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetzes. So ist die elfstündige Ruhepause nicht mehr zeitgemäß und steht dem Wunsch der Erwerbstätigen nach souveräner Arbeitszeitgestaltung entgegen. Statt einer täglichen sollte auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden.
Um zeit- und ortsflexibles Arbeiten zu fördern, sollte der Staat zudem gezielte Anreize setzen, ohne diesen Bereich übermäßig zu regulieren. Wer mindestens einen Tag pro Woche zu Hause oder mobil arbeitet und damit auch einen Beitrag leistet, Staus zu vermeiden und Umwelt und Klima zu schonen, sollte dafür belohnt werden und alle dadurch entstehenden Kosten steuerlich absetzen können – unabhängig davon, ob ein Arbeitszimmer vorhanden ist.
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(axk)