Quanten-Tornados: Physiker entdecken Elektronenwirbel in Halbmetall

Ein Forschungsteam aus Würzburg und Dresden weist das vor acht Jahren vorhergesagte Phänomen nach. Dieses könnte Datenübertragung effizienter gestalten.

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Quanten-Tornado

(Bild: think-design | Jochen Thamm)

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Elektronen können in Quantenmaterialien Wirbelstrukturen ausbilden, doch war bislang unklar, ob diese auch im Impulsraum auftreten können. Den experimentellen Nachweis für diese Theorie erbrachte nun ein internationales Forschungsteam um Maximilian Ünzelmann vom Exzellenzcluster ct.qmat der Universitäten Würzburg und Dresden. Die Forscher beobachteten in einem Halbmetall die wirbelartigen Strukturen, die Grundlage für eine neue Art der Quantentechnik werden könnten. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal „Physical Review X“ veröffentlicht.

Der Impulsraum ist ein physikalisches Konzept, das die Bewegung von Teilchen anhand ihrer Energie und Bewegungsrichtung beschreibt. Er stellt somit eine Alternative zum bekannteren Ortsraum dar, der den Aufenthaltsort der Teilchen beschreibt. Aus dem Alltag bekannte Phänomene wie Wasserwirbel und Tornados werden üblicherweise im Ortsraum beschrieben.

Der Dresdner Festkörperphysiker Roderich Moessner sagte bereits 2017 theoretisch voraus, dass wirbelartige Strukturen nicht nur im Orts-, sondern auch im Impulsraum von Halbmetallen möglich seien. Damals verglich er dieses Phänomen mit einem Rauchring.

Nachweisen konnte das WĂĽrzburg-Dresdner Team dieses Verhalten nun im Halbmetall Tantal-Arsenid (TaAs). Tantal-Arsenid zeigt diese wirbelartigen Strukturen im Impulsraum aufgrund seiner intrinsischen elektronischen Eigenschaften. Die Herausforderung bestand darin, diese experimentell nachzuweisen.

Das Verfahren, mit dem das Forschungsteam den Nachweis erbringen konnte, heißt ARPES, für Angle Resolved Photo Emission Spectroscopy, auf Deutsch winkelaufgelöste Photoemissionsspektroskopie. "ARPES gehört zum Standardrepertoire der experimentellen Festkörperphysik", erklärt Ünzelmann. "Dabei werden Materialproben mit Licht bestrahlt, auf diese Weise Elektronen herausgelöst sowie deren Energie und Austrittswinkel gemessen. Das gewährt einen direkten Blick auf die elektronische Materialstruktur im Impulsraum."

Zusätzlich kombinierte das Team die Methode mit einer speziellen Form der Tomografie. "Wir haben die Probe schichtweise untersucht, wie man das von medizinischen Tomografien kennt. Die Einzelbilder wurden aneinandergereiht. So konnten wir die dreidimensionale Struktur des orbitalen Bahndrehimpulses sehen und nachweisen, dass die Elektronen im Impulsraum Wirbel bilden", sagt Ünzelmann.

Der experimentelle Nachweis dieses Phänomens bestätigt nicht nur die Theorie von Moessner, Gründungsmitglied von ct.qmat, sondern demonstriert auch das Potenzial der erweiterten ARPES-Technik, komplexe Quantenphänomene sichtbar zu machen.

Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung der Orbitronik beitragen können. Statt der elektrischen Ladung dient dort der Bahndrehimpuls der Elektronen zur Informationsübertragung in elektronischen Bauteilen. Dies könnte künftig die Energieverluste bei der Datenübertragung erheblich verringern.

Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg und die Technischen Universität Dresden tragen das Exzellenzcluster ct.qmat seit 2019 gemeinsam. Das Akronym steht für "Complexity and Topology in Quantum Matter", also Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien. Mehr als 300 Wissenschaftler erforschen dort topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern einzigartige Phänomene offenbaren.

Zu den aktuellen Ergebnissen trugen internationale Forschende bei. Eine US-amerikanische Gruppe hat das untersuchte Halbmetall Tantal-Arsenid gezĂĽchtet. Dieses wurde anschlieĂźend an der internationalen GroĂźforschungseinrichtung PETRA III des Deutschen Elektronen Synchrotrons (DESY) in Hamburg untersucht. An der theoretischen Modell-Bildung war auĂźerdem ein Wissenschaftler aus China, am Experiment fĂĽhrend ein Forscher aus Norwegen beteiligt.

(spa)